Wenn das Trinkwasser knapp wird - Mesopotamien

Wenn das Wasser knapp wird

Syrien und der Irak machen die Türkei für den mangelnden Zufluss im Zweistromland verantwortlich. 

Euphrat und Tigris versorgten einst die Wiege der menschlichen Kultur in Mesopotamien mit kostbarem Trinkwasser. Heute beklagen sich Iraker und Syrer alsmoderne Bewohner des Zweistromlandes, dass ihnen der Wasserhahn abgedreht wird – und zwar von der Türkei, wo die beiden mächtigen Flüsse entspringen. Bei einem Ministertreffen in Ankara bemühten sich die drei Staaten am Donnerstag um eine Entschärfung des Wasserstreits und um eine engere Zusammenarbeit zur Nutzung der immer wertvoller werdenden Ressource. Doch es gab keine Einigung, sondern vor allem Vorwürfe an den Gastgeber.

Der Tigris spielt im hochpolitischen Wasserkrimi nur eine Nebenrolle. Umstritten ist vor allem der Euphrat, der mit rund 30 Milliarden Kubikmeter Durchfluss im Jahr gut anderthalb Mal so groß ist wie der Tigris mit seinen 20 Milliarden Kubikmetern. Vor mehr als 20 Jahren hatte die Türkei dem südlichen Nachbarn Syrien eine Wassermenge von rund 500 Kubikmetern pro Sekunde im Euphrat vertraglich zugesichert. Der Euphrat durchquert Syrien und fließt dann durch den Irak zum Persischen Golf. Doch der Irak sitzt inzwischen weitgehend auf dem Trockenen, beklagt die Regierung in Bagdad. Den Grund dafür sieht sie in der Wasserpolitik der Türkei.

Seit der Abmachung mit Damaskus hat Ankara im Einzugsgebiet des Euphrats viele Staudämme zur Energiegewinnung und Bewässerung gebaut. Insgesamt sind in Südostanatolien 22 Dämme geplant, die einen wirtschaftlichen Aufschwung des türkischen Kurdengebietes ermöglichen sollen und die auch bei den aktuellen Bemühungen zur friedlichen Beendigung des Kurdenkonflikts eine Rolle spielen. Eine Abkehr vom Staudammbau ist von der Türkei zumindest vorerst also nicht zu erwarten.

Trotz dieser Projekte und trotz eines Rückgangs der Niederschläge in den vergangenen Jahren werde die 1987 vertraglich garantierte Wassermenge gehalten, sagte Energieminister Taner Yildiz am Donnerstag beim Wasser-Krisentreffen in Ankara. Seine Regierung habe das Volumen sogar um 17 Kubikmeter pro Sekunde erhöht, um den von Trockenheit geplagten Syrern und Irakern zu helfen. Mehr sei nicht drin, es gebe einfach nicht genug Wasser.

Die Regierungen in Damaskus und Bagdad sehen das ganz anders. Trotz ergiebiger Regen- und Schneefälle in der Region um den Euphrat habe Ankara die Wassermenge zuletzt drastisch gesenkt, beklagte die irakische Regierung vor kurzem. Der irakische Wasserminister Abdüllatif Raschid sagte am Donnerstag in Ankara, sein Land brauche dringend mehr Wasser. Es gebe bereits Flüchtlingsbewegungen aufgrund des Wassermangels. „Wir alle sollten einen fairen Anteil (vom Wasser) erhalten“, sagte Raschid. Im Irak hingen die Trinkwasserversorgung, die Landwirtschaft und die Energiegewinnung davon ab, wie das Wasser stromaufwärts – also in der Türkei – behandelt werde. Seit die Türkei ihre Dämme baue, komme im Irak weniger Wasser an.

Syriens Bewässerungsminister Nader Bunni kritisierte die türkischen Gastgeber ebenfalls. Seit dem vergangenen Herbst schicke die Türkei 100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde weniger durch den Euphrat, als das Abkommen aus den achtziger Jahren vorschreibe, sagte er. Dennoch leite Syrien mehr Wasser denn je an die vom Wasserrückgang noch härter getroffenen Iraker weiter.


Die Türkei lässt die Einwände ihrer Nachbarn nur bedingt gelten. Ankara habe Verständnis für die Nöte der Syrer und Iraker, werde aber nicht die eigene Energie- und Wasserversorgung gefährden, sagte Energieminister Yildiz. Türkische Experten verweisen zudem darauf, dass insbesondere im Irak sehr viel Wasser verschwendet werde, etwa in der Landwirtschaft. Bei einem kürzlichen Besuch im Bagdad regte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu deshalb eine engere Zusammenarbeit der drei Euphratanrainer zur effizienteren Nutzung des Wassers an. Bei dem Treffen in Ankara am Donnerstag wurde auch über die Einrichtung gemeinsamer Messstationen gesprochen, damit der Streit über angebliche oder tatsächliche Schwankungen der Durchflussmenge aufhört.

Langfristig dürfte dies aber nicht ausreichen. Der Nahe Osten verfüge über etwa fünf bis sechs Prozent der Weltbevölkerung, aber nur über ein Prozent der Wasservorräte, sagte Ismail Kapan, ein Wasserexperte und Kolumnist der Zeitung „Türkiye“, am Donnerstag. Im Zuge der Urbanisierung und Industrialisierung in Ländern wie der Türkei, Syrien oder dem Irak werde immer mehr Wasser verbraucht – aber gleichzeitig schwinde die Ressource durch den Klimawandel, Umweltverschmutzung und andere Faktoren.

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