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Nobelpreisträger O. Pamuk Unterdrückung der Medien

Nobelpreisträger Orhan Pamuk kritisiert Unterdrückung der Medien

Der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk hat in bislang unbekannter Schärfe die Beschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei kritisiert und von einer Atmosphäre der "Angst" innerhalb journalistischer Kreise gesprochen.

In einem Interview mit der Zeitung Hürriyet sprach Pamuk deutliche Worte: "Das Schlimmste ist die Angst. Ich sehe, dass alle Angst haben, das ist nicht normal. Die Meinungsfreiheit ist auf ein sehr niedriges Niveau gefallen."

"Viele Freunde sagen mir, dieser oder jener Journalist hat seine Arbeit verloren. Inzwischen werden selbst Journalisten im unmittelbaren Umfeld der Regierung geschasst. Ich habe dergleichen niemals irgendwo gesehen," fährt Pamuk in dem Interview fort. Der Literaturnobelpreisträger prangerte, vergleichbar zu den europäischen Journalistenverbänden, den zunehmenden Druck auf die verschiedenen Medien an, der mehrfach zur Entlassung kritischer Journalisten führte.

Die Reporter ohne Grenzen (ROG) bezeichneten bereits Ende 2012 die Türkei gar als „weltgrößtes Gefängnis für Journalisten“. Die Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) sprach in der gleichen Zeit von 76 Journalisten in Gefängnissen. 61 von ihnen sollen allein aufgrund ihrer Berichterstattung inhaftiert sein. Es herrsche ein regelrechtes Klima der Angst. Im Zuge der Unruhen 2013 hat sich die Situation für die Presse aber nochmals verschlechtert.

"Reporter ohne Grenzen" sah auch bereits durch die Urteile im so genannten Ergenekon-Prozess in der Türkei die Pressefreiheit in Gefahr. Die verhängten langjährigen Haftstrafen gegen mindestens zwölf Journalisten zeigten einmal mehr, "wie nötig grundlegende Justizreformen in der Türkei" sind, hatte seiner Zeit der Vorstandssprecher von "Reporter ohne Grenzen" in Deutschland, Michael Rediske, gesagt.

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir hatte sich kritisch geäußert: "Der Prozess als solcher hätte auch in jedem Rechtsstaat so stattgefunden". Die türkische Regierung habe ihn aber genutzt, um "im Windschatten anderes zu erledigen", etwa Journalisten mit anzuklagen, die eigentlich an der Aufarbeitung des Netzwerks beteiligt gewesen seien.

Özdemir hatte gar von einer "verpassten Chance" gesprochen, beim Thema Demokratie in der Türkei voranzukommen. Durch "absurd lange" Untersuchungshaft-Zeiten sei dem Prozess "zum Teil die Legitimation entzogen" worden. Das Verfahren habe nicht für Rechtsfrieden gesorgt.

Grundsätzlich müssten die unterschiedlichen Akteure in der Türkei akzeptieren lernen, "dass sie keinen Alleinvertretungsanspruch" haben, fügte der Grünen-Bundesvorsitzende hinzu "Hier hat die Türkei noch einen langen Lernprozess vor sich."

Auch die kürzlich veröffentlichten Thesen des heute 52-jährigen, türkischen Journalisten Can Dundar klingen befremdlich, zumindest auf den ersten Blick: Er vermisse die frühere Zensur der türkischen Medien, die in Folge des Militärputsches seit 1980 stattgefunden haben. Zu jener Zeit hätten die Journalisten wenigstens gewusst, wo sie standen.

Seit 2001 war Can Dundar bei einem liberalen türkischen Blatt beschäftigt, jetzt ist er entlassen. Nach über zwölf Jahren geschasst. Er gibt sich überzeugt: Eine neue, „heimtückische Form der Zensur“ hat sich in der Türkei ausgebreitet. Schweigen zu den Vorgängen lautet jetzt der Konsens.

„Als Journalist, der die Zeit des 12. Septembers erlebte, kann ich sagen, dass ich die Zensur dieser Ära vermisse“, zitiert ihn das Portal Rappler. Wenn eine Geschichte verboten worden sei, dann sei einem das am Morgen durch einen Militär mitgeteilt worden. Jetzt liefe das anders. Medienunternehmen, darunter auch sein früherer Arbeitgeber, die „Milliyet“, hätten solche Angst vor Konsequenzen, dass sie derartige Selbstzensur betreiben würden, das objektive Berichterstattung auf der Strecke bleibt. „Ich weiß, dass sogar Bilder des Premierministers, auf denen er nicht gut aussieht, Unbehagen in den Zeitungen verursachen“, so Dundar.

Dundar zählt nach Angaben von Ercan Ipekci, Kopf des türkischen Journalistenverbandes, zu den mindestens 85 türkischen Journalisten, die entlassen worden sind oder zum Rücktritt gezwungen wurden, seit am 31. Mai des letzten Jahres die Proteste im Land losbrachen.

Der 62-jährige Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wies auch die jüngsten Äußerungen des islamisch-konservativen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zurück, wonach die Gleichstellung von Frauen und Männern "gegen die menschliche Natur" sei. Die Stellung der Frauen in der türkischen Gesellschaft sei eines der großen Probleme in der Türkei, sagte Pamuk, der in seinen Büchern und Interviews wiederholt kontroverse Themen wie den Einfluss des Militärs und die Massaker an den Armeniern zur Sprache gebracht hat.

Die Polizei in Ankara hat gerade erst alarmierende Zahlen zur Situation der Frauen in der Türkei veröffentlicht. Im vergangenen Jahr sind 28.000 Frauen Opfer von meist häuslicher Gewalt geworden, mindestens 61 Frauen wurden umgebracht - von ihren Männern, Lebensgefährten oder Liebhabern. Und das, obwohl es landesweit 50.000 Männern gerichtlich verboten war, sich ihren Frauen, Ex-Frauen oder Ex-Freundinnen zu nähern. Inoffiziell heißt es, die Zahl der so genannten Ehrenmorde liege bei mehr als 130 Frauen in 2013.

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