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Wirtschaft: Auto Verkäufe in der Türkei rapide weniger!

Wirtschaft: Autoverkäufe

Der Verkauf von Neuwagen in der Türkei ist in den ersten vier Monaten dieses Jahres so stark zurückgegangen wie nie zuvor.

Der Verband der türkischen Automobilhändler teilte am gestrigen Dienstag mit, das die Pkw-Verkäufe von Januar bis April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 23 Prozent eingebrochen sind und nun bei nur noch 132.000 verkauften Fahrzeugen liegen.

Bei den in der Türkei so beliebten Lieferwagen lag der Rückgang sogar bei gut 33 Prozent auf nun nur noch 36.000 verkauften Fahrzeugen. In den Jahren zuvor war der Boom bei den Neuwagenkäufen eines der sichtbarsten Zeichen für den rasanten Wirtschaftsaufschwung der Türkei. Die Wiedereinsetzung der ÖTV-Steuer sowie die Begrenzungen im Kreditwesen seien Schuld an diesem Einbruch, der für einzelne Händler fatale Folgen hat und sich auch im Gebrauchtwagensektor wieder spiegelt (Pressemeldungen aus dem Jahr 2014).

Jetzt folgen weitere drastische Preiserhöhungen

Für Autos mit einem Hubraum unter 1,6 Litern und einer Bemessungsgrundlage von unter 130.000 Lira wurde die Luxussteuer von 60 auf 80 Prozent angehoben. Für Autos bis zwei Liter Hubraum und einer Bemessungsgrundlage von bis zu 170.000 Lira liegt die Steuer nun bei 150 statt 110 Prozent. Bei Fahrzeugen mit über zwei Liter Hubraum und einer Bemessungsgrundlage von über 170.000 Lira steigt die Steuer sogar von 160 auf satte 220 Prozent. Der Nettolistenpreis wird also mehr als verdoppelt. Und dann kommt auch noch die Mehrwertsteuer von 18 Prozent.

VW-Passat kostet in der Türkei 10.000 Euro mehr als in Deutschland

An zwei Beispielen zeigt das "Handelsblatt", was die Steuer tatsächlich mit dem Preis macht: Der VW-Passat ist eines der meistverkauften Importfahrzeuge in der Türkei. Der Grundpreis für das Einstiegsmodell mit 1,5 Litern Hubraum liegt in Deutschland bei rund 30.200 Euro. In der Türkei wurden schon bis Ende August umgerechnet 36.200 Euro fällig. Mit der neuen Steuererhöhung kommen noch einmal 4500 Euro dazu: Der Neuwagenpreis ohne Sonderausstattung beträgt ab sofort 40.700 Euro.

Türkei ist eher kleiner Markt für deutsche Autobauer

Noch krasser zeigen sich die Auswirkungen von Erdogans neuer Steuererhöhung am Beispiel des 7er BMWs. Dem deutschen Grundpreis von 87.300 Euro stand in der Türkei bisher ein Listenpreis von 198.000 Euro gegenüber. Mit der Steuererhöhung kostet der Wagen in der Türkei ab sofort 264.600 Euro – ohne Sonderausstattung.

Erdogan erhöht Steuer auf Konsumgüter kontinuierlich

Eine spezielle Steuer auf Konsumgüter existiert in der Türkei schon seit 2002. Es werden vor allem Luxusgüter wie Autos besteuert. Seit 2017 die Wirtschaft der Türkei auf Talfahrt ist, erhöht die Regierung von Präsident Erdogan die Steuer regelmäßig - zuletzt zum 31. August per Präsidialdekret.

Für kleine Fahrzeuge bringt das Dekret eine Entlastung: Der niedrigste Steuersatz von 45 Prozent gilt nun für Fahrzeuge bis zu einem Netto-Verkaufspreis bis 85.000 Lira. Vorher lag diese Grenze laut "Handelsblatt" bei 70.000 Lira.

Das Ziel von Erdogans Aktion ist leicht abzulesen: Die Regierung braucht Geld - auch die Steuern auf Zigaretten und Alkohol wurden erhöht. Außerdem will Präsident die Bürger dazu bringen, einheimische Autos zu kaufen.

Erdogan riskiert Implosion des Neuwagenmarktes

Allerdings: Alper Kanca, Präsident des Verbands der türkischen Automobilzulieferer (Taysad), geht laut "Handelsblatt" davon aus, dass die Steuererhöhung den Markt für Automobile in der Türkei verkleinern wird. Auch er erkennt aber die enormen Herausforderungen an, vor denen das Land aktuell steht: Wegen Corona gingen die Steuereinnahmen ohnehin zurück, gleichzeitig muss der Staat mehr für Krankenhäuser und Kurzarbeitsregelungen ausgeben. "Wer in so einer Phase noch Fahrzeuge kaufen kann, ist wohlhabend", schlussfolgert Kanca in dem"Handelsblatt"-Artikel, "und soll dann auch höhere Steuern zahlen".

Auch der Präsident des Automobilverbands Oyder, Murat Sahsuvaroglu, warnt in dem "Handelsblatt"-Artikel vor einer Implosion des Neuwagenmarktes. Von zehn verkauften Autos in der Türkei seien sechs Importfahrzeuge mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von über 130.000 Lira. Er fürchtet, dass Kunden, die bereits eine Anzahlung geleistet haben, diese zurückziehen könnten.

Neufahrzeuge wurden "unmittelbar" storniert

Die Branche hat ihre Prognosen wegen der Steuererhöhung bereits angepasst. Die Industrie ging bisher von einem Absatz von 750.000 Autos aus - jetzt sind es laut türkischen Medien nur noch von 600.000. "Die erhöhte Luxussteuer hat unmittelbar für Stornierungen von Neufahrzeugen gesorgt, die erst nach Inkrafttreten der neuen Steuersätze ausgeliefert werden und bezahlt werden müssen", schreibt die Wirtschaftszeitung "Dünya" laut "Handelsblatt".

Inflation in der Türkei bleibt hoch

Unterdessen muss die Türkei mit einer weiter hohen Inflation kämpfen: Am Donnerstag meldete das türkische Statistikamt für August eine Inflationsrate von 11,77 Prozent. Sie verharrte damit auf dem gleichen Niveau wie im Juli, während die Corona-Krise in vielen Industriestaaten zu einem starken Rückgang der Teuerung führte. „Bemerkenswert ist, dass die allgemein erwartete inflationsdämpfende Wirkung der Pandemie - zumindest in den Schwellenländern - bislang noch nicht eingesetzt hat“, kommentierte Analyst Tatha Ghose von der Commerzbank.

Die Türkei wurde von der Corona-Krise ebenfalls hart getroffen und leidet unter einer schweren Rezession. Eigentlich hätte der wirtschaftliche Abschwung die Inflation dämpfen müssen. Die Inflationsrate verharrt aber bereits seit Ende vergangenen Jahres im zweistelligen Bereich.

Nach Einschätzung des Experten Ghose gibt es derzeit in der Türkei keine Mechanismen, die die Inflation verringern und die Lira stützen könnten. Zuletzt hatte die Zentralbank des Landes den Leitzins im August weiterhin auf 8,25 Prozent belassen. Angesichts des Verfalls der türkischen Lira und der hohen Inflation müsste die Notenbank ihre Zinsen eigentlich anheben.

Die Notenbank steht jedoch laut Beobachtern unter erheblichem Druck des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, der niedrige Zinsen zur Stützung der Konjunktur verlangt. Immerhin versucht die Zentralbank derzeit, gegen die Entwicklung anzukämpfen, in dem sie die Versorgung mit Notenbankgeld zu den derzeit vergleichsweise günstigen Konditionen einschränkt. Marktbeobachter sehen darin eine Maßnahme, mit der eine offizielle Zinserhöhung umgangen werden soll.

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