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Detlev & Rendel Simon - Türkei Motorradexperten

Detlev Simon

Es war im Jahr 1970, ein Jahr nachdem meine Eltern das erste Mal die Türkei besucht hatten – mit einem VW-Käfer, meine sechsjährige Schwester auf der Rückbank (ich lag während der Zeit, gut versorgt von der Oma, mit Blinddarmentzündung im Krankenhaus).

Nach der Schule war ich allein zu Hause, als es an der Tür klingelte. Als ich öffnete, starrte mich ein Paar hilflose Mädchenaugen an. Die junge Frau, ungewohnt gekleidet, auch noch ein Teenager, nicht viel älter als ich, hatte einen Säugling im Arm, mit der freien Hand hielt sie mir einen Zettel entgegen, auf dem "İsan" zu lesen war. Nun war es an mir, hilflos zu sein. Ich erinnerte mich, dass der Name İsan in unserer Familie schon öfter gefallen war. Ich bat die beiden herein und ließ sie in der Küche Platz nehmen. Mein Befremden angesichts der ungewohnten Begegung schlug in Verlegenheit um, als das Mädchen, in völligem Kontrast zur sonstigen Erscheinung, ihr Oberteil aufknöpfte, eine Brust entblößte und dem Baby zu Trinken gab. (Während meiner gesamten Schulzeit hatte ich nie auch nur einen Ausländer in meiner Klasse, Holländer und Dänen im Urlaub waren das Exotischte, was mir in dieser Hinsicht bis dahin begegnet war.)
Ein Anruf bei meiner Mutter ergab, dass es sich um die junge Ehefrau eben des besagten İsan handelte. Dieser arbeitete bei meinem Vater, Steiger auf der hiesigen Steinkohlenzeche, im Revier, auf seine Einladung hin hatten meine Eltern im Vorjahr die Türkei besucht – vom Münsterland über İstanbul bis Karataş im Süden der Cukurova. Jetzt konnte er seine Frau und den Sprößling in die Arme schließen.

In der Folge waren meine Eltern über 50 Mal in der Türkei, nicht unbedingt als Abenteurer, doch meist individuell und offen für Neues. Bezeichnend ist sicher der Umstand, dass ich meinen Vater das letzte Mal lebend gesehen habe, als wir zusammen in der Türkei waren.

Im Herbst 1988 war, nach einer Backpacktour durch Israel und einem Campingaufenthalt am Luganer See, noch eine Woche Urlaub zu verbraten. Meine Eltern weilten zu der Zeit gerade in Antalya, bot sich also an. NachAntalya gab es – heute kaum vorstellbar – keinen Flug mehr, nur nach "Dalaman". Wo ist das? – Egal! Dass einen noch 1988 ein Taxi für 50 DM von Dalaman nach Antalya brachte, erscheint auch heute kaum glaublich. Wir fuhren über Land, irgendwo vor Korkuteli machten wir Rast, bekamen gebratenes Huhn von einem improvisierten Grill am Straßenrand angeboten, dazu rohe Zwiebeln, zu beißen wie ein Apfel, wie mir unser Gastgeber vormachte.

Heute kann sich wohl kaum mehr jemand vorstellen, was für ein beschaulicher Ort Antalya zu der Zeit noch war. Der Taxifahrer klapperte ein paar Pensionen mit uns ab, die erste roch etwas streng, die nächste machte auch einen etwas schmuddeligen Eindruck. Schließlich landeten wir in einer Aile Pension am Konyaaltı-Strand. ("Konyaaltı" war so ziemlich der erste türkische Begriff, der sich mir einprägte und der mich in der Folge zum Verfassen des späteren Welthits "Letzter Dolmuş nach Konyaaltı" inspirierte). Die Pension war schlicht (sehr schlicht!), mit Hock-Klo, eine Einrichtung, die bei meiner Frau Stuhlverhaltung verursachte, deren Vorteile ich aber schnell erkannte und schätzen lernte. Als wir dann noch kurz in den benachbarten Market gingen, um uns zu verproviantieren, zupft eine junge Frau Rendel am Ärmel und ruft entgeistert: "Frau Simon!" Vor uns stand Songül, eine junge Türkin, die in Deutschland eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht hatte, während der Zeit in einer Einrichtung untergebracht war, die meine Frau leitete, und die jetzt einen Job in einem Nobelhotel in der Nähe unserer Pension gefunden hatte. Wäre es nicht vermessen gewesen, noch mehr Zeichen zu fordern, um uns klar zu machen, dass das unser Land war??
Wenn in der Folge einer von uns die Frage aufwarf: "Wohin soll's in den Urlaub gehen?", war das eher rhetorisch, tatsächlich sind wir nur zweimal "fremdgegangen".

Wir sind dann ein bis zwei Mal im Jahr in die Türkei geflogen, meist "individuell", zunächst mit Schwerpunkt Riviera (zwischen Kemer und Manavgat), später mehr im Bereich südliche Ägäis (und da mit dem Lieblingsstandquartier Patara). Im Westen stellte der Bafa-See das äußerste Ende unseres "Einzugsgebiets" dar, im Osten Anamur.

Besondere Freude macht es uns, wenn wir andere mit dem Türkeivirus infizieren können. So haben wir 1996 unter Freunden und Verwandten eine Truppe von fast 30 Leuten zusammentrommeln können, die Patara und Umgebung unsicher gemacht haben, später haben wir noch etliche kleinere Gruppen und Paare dorthin gebracht.

Eine ganz neue Qualität bekam unsere Liebe zur Türkei im Jahr 2005. Meine Frau war beim Schmökern in einer meiner Motorradzeitschriften auf einen Türkei-Reisebericht gestoßen. "Setz dich mal bitte", hieß sie mich, als ich eines Tages nach Hause kam. "So", meinte sie mit Verweis auf den Artikel, "so möchte ich auch mal reisen." Und das sie, die allerhöchstens mal auf dem Sozius Platz nahm, als Jugendliche nicht einmal ein Mofa hatte, geschweige denn, je mit dem Gedanken gespielt hätte, selbst zu fahren! Kurzum: Ein Vierteljahr später hatte sie den "Schein", übte zunächst auf meiner BMW R80GS, um dann, wie ich, auf eine Honda Africa Twin umzusatteln. Zum "Üben" umrundeten wir im Jahr drauf den Peloponnes, was Zuversicht und Vorfreude auf mehr weckte. Zudem überholte mich Rendel mittlerweile nicht nur hin und wieder mit dem Motorrad, sondern auch mit ihren Türkischkenntnissen. Bis heute geht es fast jede Woche zum Unterricht, zunächst an der VHS, seit einiger Zeit privat, zu Seher, einer "Mersin'li".


Unsere drei bisherigen Türkei-Motorradreisen (bei mir sind's vier: 1999 bin ich schon mal runter, Rendel ist geflogen) führten uns zunächst in den westlichen Teil der Türkei (Ägäis, Pamukkale, Eğridir-See, Kappadokien, Tarsus, Bozcaada, Edirne), dann der große "Rundumschlag": İznik, Hattussa, Kappadokien, Antakya, NemrutDağı, Mardin/Midyat, Hasankeyf, Van-See, Doğubayazıt/Ararat, Erzurum, Amasya, Safranbolu, Marmarameer, Gökceada). Im Jahr 2009 ging es dann nach Syrien, wobei die Türkei ja praktischerweise "auf dem Weg" lag, dort verbrachten wir u. a. unvergleichlich schöne Tage in einem Konak in Savur, nördlich von Mardin.

"Türkei, Türkei … woanders ist es doch auch schön!" – Ganz gewiss und ohne Zweifel. Nur bietet uns dieses Land so viel, was unserer Interessenlage und Vorliebe entspricht, und das in einer grandiosen Fülle und Vielfalt, dass wir bestimmt noch bis an unser Lebensende hierhin reisen und neue Eindrücke sammeln könnten. Meine besondere Liebe gilt der Geschichte – hier vor allem der Kichengeschichte – und der Archäologie (alles auf Laienniveau, mehr Interesse denn Kenntnis). Gemeinsam lassen wir uns immer wieder von der vielfältigen Landschaft faszinieren, zudem hat es uns der Menschenschlag angetan. Insbesondere unsere Form des Reisens mit dem Motorrad und die grundsätzlichen Sprachkenntnisse führen immer wieder zu unvergesslichen Begegnungen. (Wobei das jedoch keine unverzichtbaren Voraussetzungen sind. Ein paar Höflichkeitsfloskeln auf Türkisch, und sei es nur deshalb, um das Interesse an Land und Leuten zu signalisieren, öffnen schon Herzen und Türen, und auch zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln kann man sich das Land bis in die letzten Winkel erreisen.) Dazu kommt, dass dieTürkei eben noch nicht soo exotisch ist, dass man hier nicht auch als Tourist ohne Expeditionsambitionen klar käme, und neben allem Sehenswerten bietet das Land auch überall reichlich Gelegenheit zu Ruhe und Entspannung, die Kombinierbarkeit von Kultur und Erholung könnte besser kaum sein.

Dabei ergehen wir uns nicht in einer kritiklosen "Turkophilie", die Schwächen und auch Schattenseiten der Kultur, der Gesellschaft und der Politik sind uns grundsätzlich durchaus bewusst.

Da ich schon beruflich eine hohe Affinität zum geschriebenen Worte hatte, lag es nahe, die Erlebnisse und Eindrücke auch schriftlich zu verfassen. Mittlerweile hat sich eine richtige kleine Fangemeinde gebildet; etliche der Leser haben sich inspirieren lassen, das "Abenteuer Türkei" – häufig auch mit dem Motorrad – anzugehen. Womit das wichtigste Ziel erreicht ist.

Zur Person

Der Autor, Detlev Simon, Jahrgang 1957, ist Diplomkaufmann und leitet einen Buchverlag. Rendel, seine Frau, Lebens- und Reisegefährtin, Jahrgang 1961, ist Diplompädagogin und leitet als Familientherapeutin eine psychologische Beratungsstelle. Beide leben und arbeiten in Lüdenscheid/Sauerland.

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