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Graffiti - Kitsch oder Kunst an Wänden und Decken

Graffiti - Kitsch oder Kunst an Wänden und Decken

Oftmals ein gewaltiges Ärgernis, da deren Beseitigung von Hauswänden oder öffentlichen Verkehrsmitteln fast immer mit hohem finanziellen Aufwand verbunden ist, gibt es bis heute kontroverse Diskussionen um die mit Graffiti bezeichneten Kleinkunstwerke, die an öffentlichen Plätzen für teilweise klare aber manchmal auch für unverständliche Botschaften sorgen.

Aufgrund fortgeschrittener Farbentechnik in günstigen und leicht hantier baren Sprühflaschen zu kaufen, konnte sich das Graffiti sprühen längst zu einer Ausdrucksweise entwickeln, der man sich in der modernen Welt nicht mehr entziehen kann. Und auch diese "Kunstrichtung" muss in der globalisierten Welt längst als International gesehen werden.

In der Regel knallbunt, manchmal auch nur schwarz-weiß, findet man Graffiti als politische oder gesellschaftliche Karikatur, Liebeserklärung oder "Schreibübung" mit starker öffentlicher oder auch ganz persönlicher Botschaft. Wenn jetzt jemand sagen sollte, das dies ein Phänomen der modernen Zeit sei, so ist demjenigen umgehend zu widersprechen. Ja, tatsächlich, auch die alten Römer kannten die Problematik um die Graffiti bereits zur Genüge.
Das Hinterlassen seines Namens ist so alt wie die Geschichte des Graffiti selbst. Schon bei den Alten Ägyptern findet man Zeugnisse dieser Praxis – jedoch nicht in dem Ausmaß, wie es beim modernen Graffiti-Writing der Fall ist.

Erste Graffiti der Antike

Nicht selten stoßen Archäologen bei ihren Grabungen auf Ziegel mit Hinterlassenschaften, die durchaus Parallelen zur den heutigen Graffiti aufweisen. Da waren zum einen die römischen Ziegelhersteller,  die kurze Botschaften oder Signaturen in den frischen Lehm geritzt haben und mit dem Brand auf den Backsteinen verewigt und in Gebäuden verbaut wurden, womit sie heute eine wichtige Informationsquelle für die Wissenschaftler bilden, da sie Aufschluss darüber geben, was die Menschen damals so bewegte. Sie sind somit durchaus mit den so genannten Feierabendziegeln der Neuzeit vergleichbar. Eine Vielzahl von Beispielen solcher Graffiti findet man z. B. in derRömervilla in Ahrweiler. Aber die Römer waren längst nicht die ersten. Also der Reihe nach.

Schon im alten Ägypten waren Graffiti als Ausdrucksweise von Unterdrückung oder  aufgrund politischer Motivation bekannt. Natürlich sprechen wir in diesem Zusammenhang nicht von den wirklich farbenprächtigen, reichen Wandmalereien in Tempeln und Grabstätten, die aus den Reisekatalogen und Broschüren bekannt sind. Hier sind  es vielmehr die privaten, in der Regel gekratzten Inschriften in den Tempeln, in Gräbern und Statuen, die es zu entschlüsseln gilt. Schon aus dem Alten Reich, zwischen 2707 und 2216 vor Christus, sind solche Graffiti in verschiedenen Sprachen und Schriften bekannt, wobei die Themen allein sehr komplex sind: von Gebeten, Verehrungen und Wünschen reichen die Inschriften bis hin zu Tempel Eiden und  Götterverehrungen in den Sprachen demotisch, phönikisch, aramäisch, meroitisch, lateinisch und griechisch. Bis in das 5. Jahrhundert nach Christus hinein lassen sich ägyptische Graffiti nachweisen.

Auch bei den Römern war die Nutzung von Graffiti an der Tagesordnung, wie sich nicht nur aus Nachweisen in den Städten Pompeji und Herculaneum, das bereits 79 nach Christus untergegangen ist, belegen lässt. Liebhabern von Monty Phyton`s Flying Circus (englische Komikergruppe aus dem Jahr 1969) "Das Leben des Brian" ist sicherlich noch in Erinnerung, wie der Anhänger der "Judäischen Volksbefreiungsfront" den Spruch "Römer raus aus Judäa" auf Druck des Römischen Kohortenführers 100 Mal als Strafe an die Klagemauer schreiben musste, da er einige grammatische Fehler gemacht hatte. Was hier im Film als Parodie dargestellt wurde, hatte unter der Herrschaft der Römer durchaus einen tieferen Sinn: Graffiti wurde von "Staatsfeinden" heimlich und nächtens eingesetzt, um politische Veränderungen oder Forderungen zu stellen, die ansonsten nur unter Lebensgefahr eingefordert werden konnten. Aber auch Karikaturen, Bilder mit sexuellen Inhalten oder auch Zeichnungen wurden an die Wände gemalt, kaum ein Unterschied zu heute, bis auf der Wandlung des Verfahrens des Malens, was sich zum Sprühen geändert hat.

Vergleichbare Arten von Inschriften aus dem 2. und 3. Jahrhundert nach Christus findet man auch in den griechischen Stadtgründungen von Ephesos undAphrodisias, die zu dieser Zeit allerdings von den Römern beherrscht waren und zum Römischen Imperium zählten. Die Graffitis in den großen Arenen handeln oftmals von Gladiatorenkämpfen, die so ihre Helden verewigten. Interessanterweise sind diese Inschriften meist in griechisch, seltener in lateinisch gehalten. Manchmal findet man sogar Lobpreisungen woraus sich schließen lässt, das gegen das Anbringen von Graffiti grundsätzlich nichts sprach. Nur gegen die Herrschaft gerichtete Sprüche oder Bilder waren auch seiner Zeit schon gefährlich, so man denn auf frischer Tat ertappt wurde.

Durch die übersetzten und entschlüsselten Inhalte der antiken Graffiti lassen sich vorzüglich authentische Rückschlüsse zur Lebensweise und zu den Gewohnheiten der Menschen der damaligen Zeit in ihrem Alltag nachvollziehen. Ein weiterer Nebeneffekt für wissenschaftliche Untersuchungen war auch immer die Auskunft über den Grad der Alphabetisierung der Bevölkerung zur jeweiligen Entstehenszeit des Graffiti.

In Istanbul ritzte ein Wikinger namens Halvdan im 9. Jahrhundert Runen in eine Balustrade der Hagia Sophia ein, die noch heute deutlich sichtbar sind. Wahrscheinlich wollte er, vergleichbar zu heutigen Gewohnheiten, damit einfach nur ausdrücken, das er hier gewesen ist. Aus dem 12. Jahrhundert sind Inschriften der Wikinger auf den Orkney Inseln bekannt, die den heutigen Klograffiti recht ähnlich sehen.

Graffiti waren auch dem fahrenden Volk der Sinti und Roma seit Jahrhunderten bekannt. Schon im 16. Jahrhundert wurden vielerorts so genannte "Zinken" auf Hauswänden oder markanten Steinen angebracht, um nachfolgenden Gruppenzugehörigen über Besonderheiten der lokalen Bevölkerung zu informieren. So hat sich auf dieser Basis unter den Landstreichern gar eine Geheimsprache entwickeln können, die nachfolgenden Personen anzeigten, ob es sich lohnt, im markierten Haus etwas zu erbetteln oder ob man lieber das nächste Haus aufsuchen sollte, um dem Prügel zu entgehen. Bis in die heutige Zeit gibt es diese Symbole und Zeichen.

Als der französische Kaiser Napoleon zum Ende des 18. Jahrhunderts mit seinen Soldaten durch Europa marschierte, hinterließen diese deutliche Spuren in Form von Graffiti, die noch heute sichtbar sind. Im Jahr 1797 wurden Graffiti in Ludweiler hinterlassen genauso wie während des Ägyptenfeldzugs am Tempel der Isis in Philae.

Gleiches gilt auch, allerdings in rein privater Form, für den englischen Dichter Lord Byron, der seinen Namen mit entsprechenden Insignien gleich an mehreren Orten hinterließ, so findet man sein Graffiti im Poseidontempel in Kap Union (1810) und im Schloss Chillon (1816). Der italienische Entdecker Giovanni Battista Belzoni tat es Lord Byron nach und hinterließ in den Jahren 1815 bis 1819, als er sich zu Studienzwecken in Ägypten aufhielt, diverse Graffiti um der Nachwelt seine Anwesenheit zu dokumentieren, so ein erhaltenes Graffito auf einer Säule im Ramesseum in Theben-West sowie in der Chephren-Pyramide: „Scoperta da G. Belzoni 2 mar 1818“.

In den 1830er Jahren gab es in Paris vermehrt Graffiti Aktivitäten, die hauptsächlich von Straßenjungen angebracht wurden. Mehrere zeitgenössische Darstellungen zeigen, wie diese so genannten „Gamins“ Birnengraffiti malen. Diese Birnengraffiti gehen auf eine damals populäre Karikatur des „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe zurück, in der dessen Kopf aus physiognomisch nahe liegenden Gründen zu einer Birne verwandelt wurde. 
Mao Zedong brachte während seines Studiums im Jahr 1915 in den Waschräumen seiner Universität in Changsha eine über 4000 Zeichen lange Schmähschrift über seine Lehrer und die chinesische Gesellschaft an. Damit hält er den Weltrekord für das Graffiti mit den meisten Schrift Zeichen.

Im Jahr 1967 sprühte in der Londoner U-Bahn-Station Islington erstmals ein Unbekannter den Spruch „Clapton is God“ an die Tunnelwand. Dieser Spruch verbreitete sich daraufhin auch an anderen Orten in London. Heute ist dieses Graffito durch ein berühmtes Foto dokumentiert, auf dem ein Hund an die Wand uriniert, auf dem sich der Schriftzug befindet.

1968 trat Peter-Ernst Eiffe in Erscheinung, der in Hamburg als erster Deutscher Graffiti in größerem Stil verbreitet haben soll. So schrieb er seinen Namen samt Adresse und diverse Sprüche überall in der Stadt auf Wände und andere Stadtmöbel.

1970 tauchte in München der Schriftzug „Heiduk“ auf. Dieses angeblich nichts bedeutende Wort soll auf eine linke Kommune aus dem Schlachthofviertel zurückgehen.

Allgemein finden sich im Zuge der APO und Studentenbewegungen der 1968er Jahre vermehrt politische Graffiti. Das wohl bekannteste ist das bereits 1958 entstandene Peace-Zeichen, das durch die Flower-Power-Hippie-Bewegung bekannt wurde und noch heute genutzt wird.

In den späten 1970er- und frühen 1980er Jahren waren es in Europa, noch vor dem Import des amerikanischen Writings, hauptsächlich Punks, die „taggten“. Hierbei tat sich besonders Amsterdam als Zentrum hervor. Teilweise wurden von den Punks schon Pseudonyme verwendet, jedoch erhoben sie eher keinen künstlerischen Anspruch an ihre Hinterlassenschaften, was im allgemeinen Ästhetikverständnis dieser Jugendkultur begründet liegt.

Seit 1977 sprüht Harald Naegeli, der ‚Sprayer von Zürich‘, seine Strichfiguren auf Wände in diversen Großstädten. Wegen seiner Graffiti in Zürich wurde er 1981 zu neun Monaten Haft und 206.000 Franken Strafe verurteilt. Diese Strafe musste er 1984 absitzen, nachdem er nach Deutschland geflohen und ein internationaler Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden war. Heute ist er ein anerkannter Künstler, dessen Werke von der Stadt Zürich als schützenswert erachtet werden. Wie sich die Ansichten doch wandeln können.

Das „Liebespaar“ des Aachener Wandmalers Klaus Paier wurde im Dezember 2011 unter Denkmalschutz gestellt. Seine weiteren noch in Aachen vorhandenen Kunstwerke sollen ebenfalls geschützt werden.

Mit Markern oder Filzstiften und Sprühdosen brachten die Akteure ihre Kürzel, Zeichen oder Pseudonyme möglichst auffällig an Wänden, Türen, Bänken etc. an. Aufgrund der enormen Anzahl von Writern, wie die Mitglieder der Szene genannt werden, wurden die Tags immer größer und aufwändiger, und jeder Einzelne musste einen möglichst eigenen, innovativen Style und neue Techniken entwickeln, um aus der Masse von Namen hervorzustechen. Auch die Stellen wurden immer spektakulärer. Tagger entdeckten die U-Bahn als hervorragendes Mittel, den eigenen Namen leichter zu verbreiten, da so ihr Name durch die Stadt zu den Leuten fuhr und nicht umgekehrt.

Durch Erfindung des Fatcaps und das anschließende Umranden der auf diese Weise dickeren Buchstaben mit einer anderen Farbe (Outline) wurde das Piece – kurz für Masterpiece – erfunden. Diese Schritte werden Superkool 223 (Pseudonym des Sprayers) zugerechnet, der ebenfalls als erster einen U-Bahn-Waggon von außen mit einem solchen Piece besprüht haben soll. Die Pieces wurden zunehmend größer, auffälliger und technisch ausgereifter, behielten aber im Prinzip meist nur die Form der Tags, die lediglich umrandet wurden. Die Writer begannen an sich selbst einen künstlerischen Anspruch zu stellen, und es entwickelten sich schnell verschiedene Styles, wie der Bubblestyle und der Wildstyle von Phase2 oder der an Western-Typografie erinnernde Broadway Elegant, der durch Topcat 126 von Philadelphia nach New York importiert wurde und sich bald zum Blockbuster weiterentwickelte.

Nach dem Ende des Kalten Krieges verbreitete sich das Graffiti-Writing auch vermehrt im Ostblock. Mittlerweile ist es fast auf der ganzen Welt verbreitet, jedoch vorwiegend in Europa, Nord- und Südamerika, sowie Australien. In Entwicklungsgebieten wie z. B. Afrika gibt es bis auf in Südafrika keine lokalen Szenen.

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