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Höhenflug am Ararat / von Sophie von Maltzahn

Höhenflug am Ararat / von Sophie von Maltzahn

Wer den 5137 Meter hohen Berg im Osten der Türkei zum ersten Mal erklimmt, ist hin und her gerissen zwischen Schmerz und Glück, Selbstzweifeln und Glaube an die eigene Kraft. Tagebuch eines Gipfelsturms! 

Sollen doch andere klein anfangen, denke ich mir, als ich meine erste Bergwanderung buche. Nicht auf einen Hügel soll es gehen, sondern auf einen richtigen Berg: den Ararat in der Türkei, dessen Gipfel 5.137 Meter hoch ist und damit höher als der Mont Blanc. Ich werde ein paar Kilo abnehmen, mein Selbstwertgefühl aufpolieren und die Leistungsgrenze in ungeahnte Höhen treiben. Wenn man dann zum ersten Mal vor ihm steht, kommen indes Zweifel auf. Reicht die eigene Kraft aus, um diesen gewaltigen Vulkanberg zu bezwingen, der schon aus 50 Kilometer Entfernung zu erkennen ist? Eine knappe Woche später werde ich es wissen.

Nach der Sintflut soll die Arche Noah auf dem Ararat gestrandet sein. Den christlichen Armeniern, die seit Jahrtausenden in der Region leben, gilt er bis heute als heiliger Berg und als Nationalsymbol, auch wenn er nicht auf ihrem Staatsgebiet liegt, sondern gleich hinter der Grenze in der Türkei. Die Grenze ist allerdings geschlossen, weil sich beide Staaten nicht darüber einig sind, ob die Vertreibung und Ermordung der armenischen Bevölkerung im damaligen Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges Völkermord war oder nicht. Immerhin: Das, was den Armeniern verwehrt wird, nämlich den Ararat zu besteigen, ist Touristen erlaubt, allerdings nur mit Sondervisum und nur in der Gruppe.

Erster Wandertag

b_450_450_16777215_00_images_turkey_eastern_anatolia_ararat-khor-virap.jpgVom Flughafen Van, tief im Osten Anatoliens, holen uns kurdische Bergführer ab und bringen uns an den Fuß des Ararat in die Kleinstadt Dogubayazit. Das türkische Militär kontrolliert unser Sondervisum, das man für die Grenzregion zu Armenien und Iran benötigt. Einsam thront der schneebedeckte Gigant über dem dünn besiedelten Hochland. Nach einer Nacht im Hotel fährt uns ein klappriger Bus auf 2300 Meter über dem Meeresspiegel, von hier aus wandern wir los, 900 Meter bergauf. Um uns herum überzieht ein Blütenmeer in Gelb und Blau das dünne Grün der Hügel. Im Basiscamp auf 3200 Metern warten schon unser Gepäck, Proviant und Zelte, die freundlicherweise von Pferden hierher geschleppt wurden. Wenige Meter neben uns liegt der erste Schnee.

Zweiter Wandertag

b_450_450_16777215_00_images_turkey_eastern_anatolia_ararat-armenia.jpgAm Morgen lässt sich nicht weiter hinauszögern, wovor es mir besonders graust: Ich muss mal. Leider eignen sich nur wenige Brocken des Lavagerölls als Klostein - und die sind besonders beliebt. Die Landschaft entschädigt für die sanitäre Ursprünglichkeit, gierig sauge ich die frische Luft in mir auf. Heute ist Akklimatisationstag, damit sich der Körper an die Höhe gewöhnt. Es ist ein Testlauf auf 4000 Meter hinauf und wieder zurück zum Basiscamp, damit sich genügend Blutkörperchen bilden, um ausreichend Sauerstoff aufzunehmen. Unseren Bergführern ist es wichtig, dass es am Ende alle auf den Gipfel schaffen, keiner soll wegen der Höhenkrankheit aufgeben.

Wir marschieren durch dichtes Lavageröll, wo man nicht jedem Stein trauen kann. Man muss vorsichtig prüfen, welcher sich als Stiege eignet. Das ist mühsam, aber es klappt. Im zweiten Camp auf 3800 Meter trinken wir Chai, hier gibt es keine Blumen und keine Bergwiesen mehr. Die Zelte stehen auf Geröll, rundherum liegt Schnee. Die Gruppe, die heute hier campiert, ist schon auf dem Rückweg vom Gipfel. Ich kann nicht glauben, dass wir in zwei Tagen auch so weit sein werden; ich kann nur bis zu dem Punkt denken, an dem ich jetzt stehe.

Bei 4000 Metern endet der Aufstieg. Das passt mir gut. In der letzten halben Stunde sind mir allerlei Wehwehchen gehörig auf die Nerven gegangen: ein alter Bruch an der Ferse, mein Oberarm schmerzt vom Stocknachziehen, irgendetwas rumort im Bauch. Der Rückweg ist dafür ein echter Schneespaß! Übermütig rutschen wir unter großem Gejohle über den Schnee bergab.

Dritter Wandertag

b_450_450_16777215_00_images_turkey_eastern_anatolia_ararat-ziegenherde.jpgHeute ist Erholungstag. Soll heißen: Wir sollen abermals nur zum zweiten Camp kraxeln und uns dort ausruhen für die Nacht, denn die Gipfelbesteigung beginnt um zwei Uhr nachts, wenn der Schnee hart gefroren ist. Jeder Schritt fällt mir leicht, euphorisch über meine Kondition hüpfe ich die Strecke zum zweiten Camp wie eine Gams hinauf. Wir sind mittlerweile so hoch, dass man den fliegenden Vögeln von oben aufs Gefieder schauen kann. Um fünf Uhr nachmittags legen wir uns schlafen, doch ich kann vor Aufregung kein Auge schließen, zumal das Wetter schlechter wird. Regentropfen trommeln auf das Zelt, der Wind zerrt an den Heringen und an meinen Nerven.

Gipfeltag

b_450_450_16777215_00_images_turkey_eastern_anatolia_ararat-schneefeld.jpgAufbruch um zwei Uhr nachts. Mit Steigeisen und Stirnlampe laufen wir hintereinander her. Ich schaue nur auf die Schuhabdrücke des Vorgängers, denn jeder Blick nach hinten verunsichert mich. Den Abhang hinab schaue ich gar nicht mehr, da wird mir sofort schwindelig.

Anfangs marschieren wir noch im gleichen Tempo, doch nach zwei Stunden sind die einen zu schnell, die nächsten machen zu oft Pause. Unter der Anspannung des noch langen Weges fällt es schwer, einen fremden Laufrhythmus zu akzeptieren. Vor allem mir. Doch ich kann nicht schneller und verweigere mich der Vorgabe. Wer am Berg nicht für sich einsteht, der wird den Gipfel nicht erreichen. Das ist keine Frage der Disziplin, sondern des Selbstbewusstseins.

Je höher wir kommen, desto stärker weht der Wind. Auf 5000 Meter peitscht er uns gnadenlos den Schnee ins Gesicht. Der Nebel ist so dicht, dass man keine zehn Meter weit gucken kann. Ich erinnere mich an Schlagzeilen von verschollenen Bergsteigern, Panik schnürt mir die Luft ab, die hier oben ohnehin unglaublich dünn ist. Bergführer Nouri reißt mir die Sturmmaske ab, damit ich besser atmen kann, und redet geduldig auf mich ein. "Jetzt lernst du endlich meinen geliebten Berg Ararat kennen!" Er solle sich lieber eine Freundin suchen, schlage ich ihm vor.

Meine Finger sind taub vor Kälte, ich will nicht mehr. Wozu das Risiko weiter eingehen, wenn man doch sowieso auf dem Gipfel nichts sehen kann? Doch die Gruppe will hoch. Blöde Gruppe. Nach zehn Minuten gebe ich nach. Zum Stehenbleiben ist es zu kalt, und allein hinunter kann ich nicht. Die Wut gibt mir neue Kraft, trotzig stapfe ich an allen vorbei - und bin sogar als Erste auf dem Gipfel. Über den Gipfelkamm fegt der Wind mit ungeahnter Kraft, schnell retten wir uns ein paar Meter tiefer. Man umarmt und beglückwünscht sich, dann geht es zurück. Siebeneinhalb Stunden haben wir hierher gebraucht, bergab geht es sehr viel schneller.

Letzter Tag

Heute endet die Wanderung. Schade eigentlich. Ich fühle mich nach dem gestrigen Höhenflug total glücklich. Andererseits: Die Vorstellung, endlich wieder duschen zu können, hat auch etwas für sich. Die Vorfreude nimmt dem Vierstundenmarsch, der vor uns liegt, die Anstrengung. Unten angekommen, wissen wir, dass viel mehr Kraft in uns steckt, als wir je vermutet hätten. Ein gutes Gefühl! Es kommt uns vor, als würde ein Orden auf unserer Brust glänzen mit der Inschrift: "Gipfelstürmer, der die Kraft bestimmt und die Angst bezwingt".

Anreise: Es gibt keine Direktflüge von Deutschland nach Van in Ostanatolien, man muss in Istanbul umsteigen. Um den Transfer von Van nach Dogubayazit/Ararat kümmert sich der Veranstalter.

Trekkinganbieter: Nur Reiseanbietern mit Lizenz ist es erlaubt, Touristen auf den Gipfel zu führen. Zu empfehlen ist Ceven Travel, geführt von der einheimischen Familie Ceven mit über 50 Angestellten. Ihre Führer gehen über 30-mal im Jahr auf den Gipfel. Von März bis Mai werden Skitouren angeboten. Die Wandersaison dauert von Juni bis September. Eine Trekkingtour wie die beschriebene kostet 550 Euro inklusive 50 Euro Gebühr für das obligatorische Sondervisum.

Auskunft: Generalkonsulat der Türkei, Frankfurt/Main, Tel. +90/69/23 30 81

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