Der Lykische Städtebund

Der Lykische Städtebund

Aufgrund seiner geographischen Lage lagLykien immer am Rande der weltpolitischen Ereignisse und Machtkonstellationen des Altertums, nahm unterschiedlich Anteil an den historischen Konflikten, war aber immer auch mit allem verwoben, was die politischen Machtverhältnisse betraf, sei es in den Kriegen gegen die Perser, sei es unter Alexander und vor allem unter seinen Nachfolgern, sei es im Verhältnis zu Rom. Eines jedoch machteLykien zu einem besonderen Fall: 

Dem lykischen Städtebund, den Montesquieu (1698-1755) für den Modellfall einer Verfassung für einen Bundesstaat hielt, den George Washington (1732-1799) allerdings für nicht föderal genug für die politische Grundlage der entstehenden USA hielt und stattdessen die Verfassung des Grauen Bundes in der Schweiz wählte.

Dieser Städtebund konnte sich seit dem Jahre 167 v.Chr. voll entfalten und als ein Vorbild einer föderalen Gemeinschaft unterschiedlicher Städte und Gemeinden gelten.
Wie die gesellschaftliche und politische Lage in Lykien vor diesem Datum ausgesehen hat, ist nur undeutlich dokumentiert. Weniges ist sicher belegt, vielfach nur durch Inschriften oder literarische Zeugnisse überliefert oder rekonstruierbar.
Offensichtlich hat sich im Laufe der Zeit Lykien dem Hellenismus völlig geöffnet. Die Herrschaft der Ptolemäer in der Nachfolge Alexanders haben der Region eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte beschert, die mit dem Zusammenbruch des ptolemäischen Reiches unter den streitenden  Nachfolgern, dem Seleukiden Antiochos III. und Philipp V. von Makedonien, wieder verloren ging. 
Rom wurde in die Auseinandersetzungen hineingezogen und sicherte schließlich seine Macht im westlichenKleinasien durch den Sieg über den Makedonenkönig Perseus und über die Herrscher von Rhodos im Jahre167 v. Chr. 
Lykien, das auf Seiten Roms stand und sich zuvor schon vehement gegen die Rhodier durch Aufstände zur Wehr gesetzt hatte, erhielt den Status einer civitas libera. Das bedeutete einen Status der inneren und äußeren Selbständigkeit, soweit dies den römischen Interessen nicht widersprach.
Lykien tritt nun deutlich als eine politische und auch gesellschaftliche Einheit auf. Die lykischen Städte waren stärker als zuvor in einem Bund organisiert, wobei sie sich an ähnlichen Städtebünden, vor allem im griechischen Mutterland, orientieren konnten.

(Die Ursprünge der Bundesidee gehen weit zurück. Gemeinsame Münzprägungen bezeugen dies, ebenso wie die Tatsache, dass die Lykier im trojanischen Krieg eine Streitmacht unter der Führung eines gemeinsamen Oberbefehls stellten. )

Wie dieser Bund organisiert war, erfahren wir vor allem von dem Geographen Strabo, der in augusteischer Zeit darüber berichtet hat, wobei er sich auf eine Quelle aus der Zeit 100 v.Chr. beruft, die aber verloren gegangen ist.
Danach bestand der Bund aus 23 Städten. Zur Bundesversammlung wurden die Delegierten proportional zur Größe der Städte abgeordnet,  die größten verfügten über drei Stimmen, die mittleren über zwei und die kleineren Gemeinden entsandten jeweils einen Delegierten in die Bundesversammlung. Im gleichen Verhältnis wurden die finanziellen Beiträge für den Bund festgesetzt. In der Regel wurde jedoch nicht immer die große Versammlung einberufen, sondern ein Rat gebildet, um die anfallenden Geschäfte zu erledigen. 

Die lykische Städteversammlung wählte eine Lykiarchen als Staatspräsidenten und weitere Beamte, u.a. militärische Führer und Richter. Das weist darufhin, dass es einen militärischen Oberbefehl gegeben hat und dass die inneren Konflikte durch eine eigene Gerichtsbarkeit geregelt worden sind. Vieles, was sich in der Zeit der Selbständigkeit im Inneren des Bundes abgespielt hat, wissen wir nicht, nur etwa, dass die Münzprägung einheitlich geregelt war, aber von den einzelnen Städten besorgt wurde. Die Prägung von Silbermünzen ist schon kurz nach 167 v.Chr. belegt.

Von Strabo erfährt man, dass zu der ersten Klasse sechs Städte mit drei Stimmen gehört hätten. Die Anzahl der zum lykischen Bund zu zählenden Städte ist nie konstant gewesen, Plinius z.B. berichtet von 70 Städten, die dazu gehört hätten.
Die Lykier vereinte u.a. der Kampf gegen die Seeräuber, die in den letzten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts v.Chr. verstärkt ihr Unwesen trieben. Piraterie war an den Küsten des südwestlichen Kleinasiens immer vorhanden gewesen, aber nach der Schwächung von Rhodos durch Rom entstand ein Vakuum, in dem die Seeräuber freie Hand hatten. 103 v.Chr. wurde ein Feldzug gegen sie unternommen, an dem die Lykier auf römischer Seite beteiligt waren. Auch die Teilnahme der Lykier am römischen Krieg gegen den König von Pontos, Mithridates VI., der mit dem Massaker an römischen Bürgern in Ephesus im Jahre 88 v.Chr. begonnen hatte und mit der Niederlage des Mithridates 84 v.Chr. gegen den römischen Konsul und Diktator Sulla endete, verschaffte den Lykiern weitere Vorteile. Sulla bestätigte dem lykischen Bund die Freiheiten und erklärte ihre Mitglieder zu Freunden des römischen Volkes.  
In der Zeit des römischen Bürgerkrieges wurden die Lykier schwer gebeutelt. Als Parteigänger Caesars hatten sie die Wut des Caesarmörders Brutus, der von ihnen Tribute verlangte, um sein Heer auszurüsten, zu spüren bekommen. Die Bundeshauptstadt Xanthos, die sich den Fordrungen des Brutus widersetzte, wurde belagert, erobert und völlig niedergebrannt. Die anderen Städte des Bundes kapitulierten daraufhin und mussten hohe Kontributionen leisten. Das Blatt änderte sich, als Antonius die Caesarmörder besiegte und als Dank die Osthälfte des Reiches von Augustus übertragen bekam. Als besonderes Privileg wurde Lykien als einzige Region inKleinasien nicht in die römische Machtsphäre einbezogen, sondern behielt seine Unabhängigkeit. Später belohnte auch Augustus die Treue und Loyalität der Lykier zu Caesar.

Die Bedeutung des Bundes nahm im Laufe der folgenden Jahrzehnte ab, nachdem der römische Kaiser Claudius im Jahre 43 n.Chr. die Provinz Pamphylia einrichtete und sie mit Lykien zu einer Doppelprovinz zusammen legte. Dadurch verlor der lykische Bund den Status einer civitas libera, wurde dem römischen Provinzialstatthalter unterstellt und verlor damit auch seine politische und gesellschaftliche Bedeutung. Formal existierte der Bund weiter, behielt einen Teil der Autonomierechte, wie das der Gerichtsbarkeit oder der gemeinsamen Interessenvertretung gegenüber den Statthaltern und der kaiserlichen Regierung in Rom, war Träger des Kaiserkultes, der religiösen Verehrung der verstorbenen und zunehmend auch der lebenden Kaiser. Das höchste Amt war nun das des Oberpriesters des Kaiserkults. Der Titel des Lykiarchen ist auch in der Kaiserzeit bezeugt, die Anzahl der Städte stieg sogar an. Auch der Grundsatz der Proportionalität blieb bis in die Mitte des zweiten Jahrhunderts erhalten. Hier allerdings mündet die Geschichte Lykiens und des lykischen Bundes in den Strom der römischen Geschichte unter der Ägide der Pax Romana und verliert zunehmend seine eigenständige Bedeutung in der antiken Welt.

Wolfgang Dorn

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