Wie ich nach Sarimsakli kam Teil: 2 - Wohnungssuche
Wie bereits im ersten Teil meines Berichtes beschrieben, hatten wir uns also im Sommerurlaub 1989 entschieden, uns im Großraum Ayvalık / Sarimsakli nach einem Ferienhaus umzusehen.
Für die Gegend um Ayvalık sprachen das angenehme Klima mit der guten reinen Luft, der herrliche breite Sandstrand (bei Sarimsakli), die abwechslungsreiche, landschaftlich schöne Küstenlinie und nicht zuletzt die Tatsache, dass wir es bis hierher in zwei Tagen mit dem Pkw von Nürnberg aus schafften. Sie müssen wissen, dass wir vor dem Balkankrieg mit zwei Kindern unterwegs waren, und dass eine Flugreise für vier Personen in der Ferienzeit einfach zu teuer war.
Als wir uns dann näher mit dem „Projekt Ferienhaus“ befassten, mussten wir aber feststellen, dass unser Budget dafür nicht ausreichen wird. Da ich in finanziellen Dingen eher vorsichtig agiere und kein Freund vom Schuldenmachen bin, kamen wir schnell zu der Erkenntnis, dass für unsere Belange eine Ferienwohnung doch wohl besser geeignet sei. Zu dieser Erkenntnis trugen auch die Erfahrungen und Tipps anderer Immobilienkäufer bei.
Der Traum vom eigenen Haus kann schnell zum Alptraum werden
Wenn man noch in Deutschland berufstätig ist, dann steht die Immobilie ja rund 10 Monate im Jahr leer. Wer kümmert sich dann um das Haus? Da ist zum Einen der Schutz vor Einbrechern, zum Anderen aber auch der Schutz vor Sturmschäden. Ferienhaussiedlungen werden ja fast immer direkt an der Küste gebaut und man glaubt garnicht, welch starke Winterstürme es dort gibt. Im Internet findet man genügend Beispiele wie wenig man den Versprechungen von „guten Freunden“ (die man am Tag vorher am Strand kennengelernt hat) vertrauen kann. Da ist das Geld oft selbst in einer Spielbank noch besser angelegt. Aber auch gewerbliche Hausverwalter nehmen es mit ihren Pflichten oft nicht so genau. Dieses Problem gibt es natürlich nicht nur in der Türkei, sondern in allen Urlaubsländern. Da kommt man in freudiger Erwartung zu seinem Haus und findet das blanke Chaos. Winterstürme haben Ziegel vom Dach gefegt oder Fensterläden weggerissen wodurch es zu Wasserschäden im Haus gekommen ist, zerschlagene Fensterscheiben, wenn man Glück hat nur von spielenden Kindern verursacht, aufgebrochene Haustüre und durchwühlte und leergeräumte Zimmer oder mannshohes Unkraut im Garten. Man hat drei oder vier Wochen Urlaub und ist mehr als die Hälfte davon mit Aufräum- oder Reparaturarbeiten beschäftigt. Da wird der Traum vom eigenen Haus schnell zum Alptraum.
Bei einer Eigentumswohnung sind solche Risiken wesentlich geringer. Es handelt sich hier ja in aller Regel um Mehrfamilienhäuser die in einer geschlossenen Ortschaft stehen. Wenn es dort zu Sturmschäden kommen sollte, dann werden diese im Normalfall von anderen Hausbewohnern in Ordnung gebracht. Da das Haus eben auch ganzjährig bewohnt ist, ist auch das Einbruchsrisiko viel geringer und das Grundstück wird ebenfalls gepflegt. Für meine Wohnung kann ich sagen, dass in den mehr als zwanzig Jahren nie ein Fenster eingeschlagen wurde (ich habe aber schon zwei oder drei Bälle auf dem Balkon gefunden) und einmal hat mich ein Nachbar zuhause in Deutschland angerufen und nachgefragt, weil da „jemand von der Straße her auffällig zu meiner Wohnung geschaut hat“. Der gedankliche Umstieg vom Ferienhaus zur Ferienwohnung ist uns also nicht wirklich schwergefallen.
Von Ayvalık aus bis nach Burhaniye im Norden
So fuhr ich also mit dem Pkw die Küste von Ayvalık aus bis nach Burhaniye im Norden und Sahiler im Süden ab und schaute mir etliche fertige und auch halbfertige Wohnungen an. Dadurch gewann ich einen ersten Überblick und bald wusste ich die Bauqualität etwas einzuschätzen, konnte oft „billig“ von „preiswert“ unterscheiden. Aber trotz aller Suche, das Richtige war einfach nicht dabei. Entweder war der Weg zum Strand zu weit, oder der Strand entsprach halt nicht meinen Vorstellungen, oder in der Nachbarschaft war eine Disco, oder …, oder …, oder.
Schließlich wurde mir noch ein Bauherr in Sarimsakli empfohlen. Natürlich besichtigen wir auch diese Baustelle. Wir fanden einen Rohbau im landestypischen Stil, quadratischer Grundriss, vier Etagen, auf jeder Etage vier Wohnungen, wobei die Wohnungen in der dritten und vierten Etage zusammengehören, sogenannte „Duplex-Wohnungen“. Wie gesagt, es war ein Rohbau, der Sanitärbereich war noch nicht gefliest, auch die Bodenfliesen waren noch nicht verlegt, die Elektroinstallation wurde gerade verlegt. Der Bauherr war sehr nett und führte uns durch seinen Bau. Die Wohnungen waren gut aufgeteilt und auch die Bausubstanz schien recht ordentlich zu sein. Wir trafen uns in den folgenden Tagen noch ein paarmal, ich prüfte dieses und jenes und schließlich war ich bereit, in eine Wohnung im zweiten Stock zu investieren (Achtung! Der zweite Stock in der Türkei entspricht dem ersten Stock inDeutschland). Letztlich scheiterte der Kauf aber an den unterschiedlichen Preisvorstellungen. Weder der Verkäufer noch ich wollten nachgeben. Trotzdem verabschiedeten wir uns freundschaftlich und er bot mir an, die Wohnung bis Ende Oktober für mich zu reservieren, falls ich es mir doch noch anders überlegen sollte.
Es war wirklich ein Hasardspiel, das aber zu einem guten Ende führte
Aber, wie es halt so ist: zurück in Deutschland holt einen der Alltag schnell wieder ein, man hat andere Sorgen und so war das Thema Wohnungskauf bald in Vergessenheit geraten. An Weihnachten riefen uns dann ganz überraschend Bekannte an und teilten uns mit, dass der Wohnungsverkäufer „klamm“ sei und jetzt bereit wäre auf mein Kaufangebot einzugehen. Ich beriet mich noch einmal sehr intensiv mit meiner Frau und dann sagte ich zu. Es folgte ein Geschäftsabschluss wie ich ihn niemandem empfehle. Es war wirklich ein Hasardspiel, das aber zu einem guten Ende führte. Ich überwies den Kaufpreis ohne jegliche schriftliche Sicherheit, verließ mich nur auf die Zusagen unserer Bekannten. Es handelt sich dabei um das Ehepaar Rudi und Uschi P. aus Fürth (nicht aus Sachsen wie in einem anderen Artikel geschrieben). Wir kannten uns bereits aus Nürnberg und sie waren durch einen gemeinsamen türkischen Bekannten in Küçükköy gelandet, wo auch der Verkäufer meiner Wohnung herstammt. Der Verkäufer, Herr Mehmet U., versprach mir, dass ich die Wohnung im März 1990 übernehmen könne.
Nicht im März, sondern erst Ende April besichtigte ich dann „unsere Wohnung“. Aus Zeit- und Kostengründen, ich war diesmal alleine unterwegs, flog ich von Nürnberg nach Izmir und fuhr von dort mit dem Bus nach Ayvalık, wo mich meine Bekannten vom Busbahnhof abholten. Während meines vierzehntägigen Aufenthalts wohnte ich bei ihnen in Küçükköy. Die Wohnungsübergabe verlief recht unspektakulär. Trotz der Zusage war nicht alles fertig. Die Einbauküche vom Schreiner, damals noch eine kleine Revolution, war noch nicht eingebaut und die Malerarbeiten waren auch noch nicht getätigt. Aber ich konnte doch schon Einiges erledigen, kaufte Möbel und eine Elektrotherme fürs Bad sowie einen Küchenherd, ließ Vorhänge nähen und wurde jeden Tag nervöser, weil mit dem Maler einfach nichts voranging. Ich denke, ich bin Mehmet U. damals ganz schön auf die Nerven gegangen mit meinem ständigen Drängen. Und obwohl ich schon nicht mehr damit rechnete, bis zu meinem Rückflug war tatsächlich alles fertig. Auch ich.
Der „Kaya market“ besteht noch heute
In den Sommerferien verlebten wir dann den ersten Urlaub in unserer Wohnung in der Türkei. Es war super! Die beiden Jungs hatten ihr Kinderzimmer, meine Ehefrau und ich konnten uns etwas zurückziehen wenn wir wollten. Wir frühstückten auf dem Balkon, liefen zum Strand (ca. 300 m), schwammen und tauchten im kristallklaren Wasser. Schnell fanden wir auch heraus wo man gut und trotzdem preiswert essen konnte, zum Beispiel im „Erdoğanın yeri“. Ein Lokal, das es auch heute, 20 Jahre später immer noch als ein „çorbası lokanta“, ein Lokal in dem man bis in die frühen Morgenstunden noch einen Teller heiße Suppe serviert bekommt, gibt. Es ist mittlerweile zweimal umgezogen und wird von Erdoğans Sohn geführt. Aber Qualität und Frische der Speisen überzeugen immer noch.
Damals gab es auch noch viele „süpermarkets“, wir würden sie wohl eher als „Tante-Emma-Laden“ bezeichnen. Einer davon, der „Kaya market“ besteht noch heute, al-lerdings gab es auch da mal einen Besitzerwechsel, was nach mehr als 20 Jahren aber auch normal ist. „Kaya market“ ist übrigens gleichzeitig der Name einer Bushaltestelle. Dieser Kaya market ist nur zwei Häuser entfernt und noch heute gilt ihm einer meiner ersten Besuche wenn ich nach Sarimsakli komme. Und sei es nur um die allernötigsten Dinge einzukaufen. Da hat man auch Kredit, wenn man zum Geldwechsel noch nicht auf der Bank war. Es ist einfach ein herzliches, gut nachbarschaftliches Verhältnis. Mittlerweile gibt es aber auch in Sarimsakli echte Supermärkte. Ähnlich wie bei uns vor 40 Jahren, so verschwinden jetzt in der Türkei diese Tante-Emma-Läden und weichen den großen Supermarktketten. Was bei uns in Deutschland Aldi und Lidl sind, das sind in der Türkei BIM und A101. Wenn ich nach Ayvalık fahre, dann kaufe ich auch gern bei KiPa ein. Ein Supermarkt der wirklich alles bietet. Da können auch große Märkte bei uns, wie Real oder Marktkauf nicht mithalten.
Yussufs Vater betrieb schon eine Ölmühle in Ayvalık
Zum Einkaufen müsste ich aber nicht nach Ayvalık, das bekäme ich auch alles in Sarimsakli. Trotzdem fahren wir sehr häufig nach Ayvalık, weil diese Stadt einfach ein tolles Flair hat. Der lebendige Hafen mit seinen vielen Cafés und dem lebhaften Treiben, die Altstadt mit vielen kleinen Einzelhandelsgeschäften in denen man auch Ausgefallenes, Delikatessen oder Mode zu günstigen Preisen findet. Oder die schön gestaltete Fußgängerzone. Und in den zwanzig Jahren haben sich natürlich auch etliche Bekanntschaften ergeben. Da sitze ich dann bei „Michel“, einem Juwelier, der schon an seinen Sohn übergeben hat und trinke meinen cay (Tee). Der, „Ertan“, betreibt den Gold- und Juwelierladen seines Vaters zwar noch, aber mehr im Nebenerwerb. Nach einem Studium in Bursa verdient Ertan sein Geld hauptsächlich mit dem Erstellen von Internetseiten. Oder ich lasse mich bei „berber Metin“, meinem Friseur mit dem ich natürlich auch einen cay trinken muss, rasieren. Dessen Schwiegersohn Sönmez stammt aus Sarimsakli. Meine Söhne und er sind seit deren Jugendzeit befreundet, und machten in ihrer Jugend die Discos unsicher. Heute haben Sönmez und meine Jungs schon selber Kinder, aber den Kontakt halten sie immer noch. Am Hafen kehre ich dann in einem der vielen Cafés ein. Den schönsten Blick auf den Hafen hat man, finde ich, vom „Denizci kahve“ aus. Oft treffe ich aber schon auf dem Weg dorthin Bekannte in anderen Cafés. Sei es im „white knight“ der Bülent, der mit einer Finnin verheiratet ist und ebenfalls mit Hauptwohnsitz in Nürnberg lebt, oder sei es Yussuf im „Ayvalıkgücü“. Yussufs Vater betrieb schon eine Ölmühle in Ayvalık und auch er stellt heute noch ein hochwertiges kaltgepresstes Olivenöl auf traditionelle Weise her, das man aber im Einzelhandel garnicht bekommt. Nur Verwandte und gute Freunde werden natürlich versorgt. Und obwohl er zum Ende des Sommers hin oft ausverkauft ist, hebt er doch immer einige Liter für mich auf.
Das sei so typisch deutsch.
Dabei erinnere ich mich an eine nette Begebenheit die ich schon im Sommer 1990 erlebte: Mit dem Wohnungsverkäufer Mehmet U. zusammen war ich nach Ayvalık gefahren um einige Kleinigkeiten für die Einrichtung zu besorgen. Wir verabredeten, uns um 12.00 Uhr im „Ayvalıkgücü“ wieder zu treffen. Ich kaufte ein und um Punkt 12.00 Uhr kam ich zu unserem Treffpunkt, wo ich Mehmet schon mit einigen anderen Türken sitzen sah. Als ich an den Tisch trat, stellte Mehmet mich vor –verstanden habe ich nichts, weil ich damals noch kein Türkisch sprach- und er sagte irgendetwas worüber alle herzhaft lachten. Einer seiner Bekannten sprach deutsch und der klärte mich dann auf: Mehmet hatte ihnen erzählt, dass wir für 12.00 Uhr verabredet waren und ich bin doch tatsächlich um 12.00 Uhr erschienen. Das sei so typisch deutsch. Mit der Angabe „um 12.00 Uhr“ hätte Mehmet doch nur gemeint „irgendwann nachmittags“. Tja, an diese Auslegung von Zeitangaben muss man sich in der Türkei einfach gewöhnen. Mittlerweile kenne ich aber auch einige Türken die lange in Deutschland lebten und die sich die deutsche Zeitangabe angeeignet haben. Die schimpfen jetzt mehr auf die Unpünktlichkeit ihrer Landsleute als ich.
Jedenfalls haben wir die Entscheidung, Sarimsakli als unseren Zweitwohnsitz zu wählen nicht bereut.
Karl-Heinz Kraus
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