Osmanen verlassen Belgrad – eine Stadt im Wandel

Die Osmanen verlassen Belgrad – eine Stadt im Wandel

Die historische Altstadt von Belgrad, heute Großteil des Stadtteils Stari Grad, war noch bis 1850 fast deckungsgleich mit dem gesamten Stadtgebiet, sprich eigentlich eine Kleinstadt.

Dieser heute so genannte Altstadtbezirk wurde durch einen Palisadenschanze mit drei Toren (Vašarska kapija, Stambol kapija, Vidin kapija) zwischen Save und Donau eingegrenzt. Das bedeutendste Bauwerk in diesem Bezirk und das damit bekannteste Wahrzeichen Belgrads ist bis heute die Belgrader Festung. Die strategische Lage begünstigte hier seit der Antike eine städtische Befestigung. So befestigten die Römer das Plateau nach der ersten kelto-thrakischen Siedlung im 1. Jh. n. Chr. durch ein Castrum, die Byzantiner im 6. Jahrhundert durch ein Kastell sowie der serbische Despot Stefan Lazarević durch eine weitläufige mittelalterliche Burg mit Doppelmauer, Wassergräben und einem Schloss.

Im Zuge der Türkenkriege wurde die Burg nach Eroberung von Prinz Eugen zu einer Festung mit Artillerie-Bastionen ausgebaut. Nach mehrmaligen Zerstörungen und Rekonstruktionen der Festung, auch durch die Osmanen, besteht sie im Kern aus einer Anlage des 15. Jahrhunderts mit Erweiterungen des 17. und 18. Jahrhunderts.

Die Festung teilt sich in die Ober- und Unterstadt. Die Oberstadt thront auf einem Kalksporn in 125 m Höhe, 50 m darunter erstreckte sich die Unterstadt auf der Alluvialebene im Save-Delta. Im Mündungsdelta der Save in die Donau liegt die Große Kriegsinsel.

Innerhalb der Schanze bildeten die Stara Caršija, Dorčol und der Stari Vašar (Marktplatz) die kleinen Bezirke der Zivilstadt. Zwischen 1840 und 1860 verdoppelte sich die Einwohnerzahl rasant schnell auf etwa 20.000.

Von der Militärstadt zur Zivilstadt Belgrad

b_450_450_16777215_00_images_serbien_belgrade_osmanen-2.jpgDie von den Osmanen mit einem osmanischen Militärgouverneur verwaltete Festung blieb noch bis 1867 politisch und territorial eine unabhängige Einheit. Nachdem die Osmanen 1804 und 1813 kurzzeitig die Kontrolle über den Großteil der ländlichen Gebiete im Paschalik von Belgrad verloren hatten, legalisierten sie ab 1830 in einem Abkommen mit Miloš Obrenović die Oberhoheit des Fürsten über die christlichen Bewohner im Paschalik von Belgrad. Die muslimischen Bewohner wurden osmanischen Behörden, christliche und jüdische Einwohner, die 1836 etwa die Hälfte der Bevölkerung stellten, dagegen der Autorität des Magistrats der Stadt unterstellt. Den Muslimen war es dabei auch bis zum Ende der osmanischen Militärverwaltung verboten, eigenen Grundbesitz in der Stadt zu verkaufen.

Erst 1841 wurde es erstmals gestattet, innerhalb der Schanze ein christliches Gotteshaus zu errichten (Saborna Crkva, 1841). Nach 1833 verlor das Osmanische Reich zunehmend das Interesse an den öffentlichen Verwaltungsaufgaben, und der Magistrat übernahm auch die öffentliche Wasserversorgung der Brunnen (çesme). Durch den 1862 an einem Brunnen (çükür çemse/Čukur čemsa) entbrannten Aufstand von Belgrad, der sich aus innerethischen Konflikten von Christen und Muslimen entwickelte, wurde die Übergabe der osmanischen Militärverwaltung bis zu einer Übergangszeit 1867 an die serbischen Behörden beschlossen. Die osmanische Flagge verblieb aber noch bis 1878 auf der Festung als Symbol imperialer Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich.

Auch die muslimischen Einwohner verlassen die Stadt

b_450_450_16777215_00_images_serbien_belgrade_osmanen-1.jpgNach dem militärischen Abzug, den die weitläufige Migration der muslimischen Einwohner Belgrads begleitete, wurde eine generelle Regulierung des Stadtgebietes innerhalb der Schanze ausgearbeitet, die durch die entleerten muslimischen Stadtviertel notwendig wurde. In der „Deosmanisierung“ des orientalisch geprägten Charakters und der geplanten städtebaulichen Vollendung der nationalen Kapitale, in der der überwiegende Anteil osmanischer Bauwerke abgerissen wurde (von ehem. 16 Moscheen fielen dabei alle bis auf eine der Regulierung zum Opfer), wurde auch der großzügige Aufbau moderner Verwaltungsviertel begonnen.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wuchs die Stadt so in südlicher Verlängerung der Sava Mala (heute Savski Venac) und Vračar mit der älteren Siedlung Palilula zusammen. Nach 1918 kamen auch die ehem. habsburgisch verwalteten linksseitigen Ufer der Save und Donau zum Stadtgebiet Belgrads hinzu, doch erst 1948 wurde hier mit dem Bau von Novi Beograd eine Stadtregulierung vollzogen.

Jedes Jahr werden am Tag der Republik am 15. Februar die Feierlichkeiten durch Artilleriesalutschüsse der Garde von der Festung aus eingeleitet.

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