Römerzeitliche Holzfigur in Buckinghamshire entdeckt

Römerzeitliche Holzfigur in Buckinghamshire entdeckt

Bei archäologischen Arbeiten, die den Bau der britischen Hochgeschwindigkeits-Zugstrecke HS2 begleiteten, wurde vor kurzem ein seltener Fund gemacht: Im Juli entnahmen Archäologen von Infra Archaeology die gut erhaltene Figur aus einem mit Wasser vollgesogenen römischen Graben in einem Feld in Twyford, Buckinghamshire.

Die traditionelle Grafschaft grenzte an Oxfordshire, Northamptonshire, Bedfordshire, Hertfordshire, Berkshire und Greater London.

Römischer Straßenbau in der Region Buckinghamshire

alle wege fuehren nach romDer römische Einfluss in Buckinghamshire machte sich vor allem bei den römischen Straßenbauten bemerkbar, die die Grafschaft durchqueren. Watling Street und Akeman Street verlaufen von Ost nach West durch Buckinghamshire und waren wichtige Handelsrouten, die London mit anderen Teilen des römischen Reiches in Britannien verband. Der Icknield Way entlang der Chiltern Hills wurde von den Römern als Verteidigungslinie genutzt; vermutlich handelt es sich um den Ausbau einer weit älteren Straße.

Seltsames Stück Holz im Graben

Bei ihren Untersuchungen in Three Bridge Mill stießen die Ausgräber auf ein Stück Holz, das sie zunächst für zersetzt hielten. Als sie es weiter freilegten, kam jedoch eine menschliche Figur zum Vorschein. Das Kunstwerk wurde aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt; es ist 67 cm hoch und 18 cm breit.

Nach einer ersten Einschätzung wird die Holzfigur aufgrund des Schnitzstils und der Tunika ähnlichen Kleidung in die frühe römische Zeit datiert. Im selben Graben wurden auch Keramikscherben aus Zeit der frühen römischen Besatzung Britanniens (etwa 43–70 n. Chr.) entdeckt. Die Archäologen können zwar nicht mit Sicherheit sagen, wofür die Figur verwendet wurde, aber es gibt Beispiele dafür, dass solche geschnitzte Holzstatuetten den Göttern als Gaben dargebracht wurden. Möglicherweise wurde die Figur sogar nicht einfach in den Graben geworfen, in dem sie vergangenes Jahr ans Tageslicht kam, sondern bewusst dort platziert.

Sauerstoff Abschluss sorgte für den Erhalt

meilenstein 3In Anbetracht des angenommenen Alters und der Tatsache, dass es aus Holz geschnitzt wurde, überrascht die gute Erhaltung des Artefakts. Der lehmige Boden des Grabens hat dafür gesorgt, dass das dort angesammelte Wasser nicht abfließen konnte. Dies wiederum sorgte dafür, dass der Grabeninhalt kontinuierlich unter Wasser und damit unter Sauerstoffabschluss stand, sodass sich das Holz nicht zersetzen konnte und jahrhundertelang erhalten blieb.

Iain Williamson, Archäologe bei Fusion JV, äußerte sich zu der Entdeckung wie folgt: „Die erstaunliche Entdeckung dieser Holzfigur kam völlig unerwartet, und das Team hat großartige Arbeit geleistet, um sie unversehrt zu bergen. Die Erhaltung der in das Holz geschnitzten Details, wie das Haar und die Tunika, erwecken die dargestellte Person wirklich zum Leben. Das Überleben einer Holzfigur wie dieser ist für die römische Epoche in Großbritannien nicht nur äußerst selten, sondern wirft auch neue Fragen zu dieser Stätte auf: Wen stellt die Holzfigur dar, wofür wurde sie verwendet und warum war sie für die Menschen, die im 1. Jahrhundert n. Chr. in diesem Teil von Buckinghamshire lebten, von Bedeutung?“

Die Statuette ist in Anbetracht ihres Alters in gutem Zustand, aber die Arme unterhalb der Ellbogen und die Füße sind beschädigt. Erstaunlich viele Details sind in der Schnitzerei sichtbar, wobei der Hut oder die Frisur deutlich zu erkennen sind. Der Kopf ist leicht nach links gedreht, die Tunika auf der Vorderseite scheint in der Taille gerafft zu sein und reicht bis über die Knie, und die Beine und die Form der Wadenmuskeln sind gut ausgeprägt.

meilenstein 2Derzeit wird das Stück vom Konservierungsteam der Yorker Archäologie in deren Speziallabor konserviert und untersucht. Ein kleines Fragment der Figur, das bereits im Graben abgebrochen war, wird zur Radiokohlenstoffdatierung geschickt, um ein möglichst genaues Fäll Datum des Baumes zu ermitteln, aus dem die Statuette hergestellt wurde. Zudem soll eine Analyse der stabilen Isotope durchgeführt werden, die Aufschluss über die ursprüngliche Herkunft des Holzes geben könnte.

Helen Wass, Leiterin des Bereichs Kulturerbe des Bauprojekts HS2 Ltd, erklärt: „Unser beispielloses Archäologieprogramm für die erste Phase des HS2-Projekts zwischen London und Birmingham hat uns eine Fülle von neuen Informationen über unsere Vergangenheit geliefert. In Buckinghamshire konnten wir durch unsere sorgfältige Arbeit ein viel besseres Verständnis dafür entwickeln, wie die Landschaft von unseren Vorfahren genutzt wurde, insbesondere während der Römerzeit, und das wird durch unglaubliche Artefakte wie diese Figur noch lebendiger. Wir haben uns verpflichtet, unsere Erkenntnisse mit den Gemeinden und der Öffentlichkeit zu teilen, um unser Verständnis der Geschichte Großbritanniens zu vertiefen“.

Weitere Funde entlang des römischen Straßennetzes

grabung 2Geschnitzte Holzfiguren aus der britischen Vorgeschichte und der römisch-britischen Zeit sind äußerst selten. Im Jahr 2019 wurde auf dem Grund eines Brunnens in Northampton hölzerne Gliedmaße gefunden, bei der es sich vermutlich um eine römische Weihgabe handelte. Beispiele für vollständige römische Schnitzfiguren wurden in Dijon und Chamalières in Frankreich geborgen. Eine ähnliche Holzschnitzerei, dass „Dagenham Idol“, wurde 1922 am Nordufer der Themse gefunden und auf das Neolithikum datiert. 1866 kam am Ufer des Flusses Teign in Kingsteignton eine geschnitzte Figur aus der frühen Eisenzeit ans Tageslicht.

Jim Williams, leitender wissenschaftlicher Berater von Historic England, fasst zusammen: „Dies ist ein wirklich bemerkenswerter Fund, der uns mit unserer Vergangenheit konfrontiert. Die Qualität der Schnitzerei ist exquisit und die Figur ist umso spannender, als organische Objekte aus dieser Zeit nur selten überleben. Diese Entdeckung hilft uns, uns vorzustellen, welche anderen hölzernen, pflanzlichen oder tierischen Kunstwerke und Skulpturen zu dieser Zeit entstanden sein könnten. Weitere Analysen könnten noch mehr Details ans Licht bringen und vielleicht sogar Hinweise auf den Entstehungsort liefern.

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