Madonna von Rudolfov in der südböhmischen Aleš Galerie

Madonna von Rudolfov in der südböhmischen Aleš Galerie

Eine weitere Überraschung sollte uns während unseres Besuchs in der Aleš Galerie in Hluboká nad Vltavou begegnen, die aber auch so gar nichts mit Werken von HR Giger zu tun hat, sondern weit zurückliegend gefertigt und bereits im Jahr 1274 in der Dominikanerkirche in České Budějovice geweiht wurde: Madonna von Rudolfov.

Die Madonna von Rudolfov ist eines der wertvollsten Denkmäler der frühgotischen Bildhauerei in Böhmen, die vermutlich aus dem Ende der Herrschaft Ottokars II. von Böhmen stammt. Die Madonna ist in der Dauerausstellung der Südböhmischen Aleš-Galerie in Hluboká nad Vltavou ausgestellt und es gibt eine interessante Verbindung nach Naumburg und Magdeburg.

Orientierung an den Steinskulpturen der Kathedralen Reims und Amiens

madonna rudolfova 01Eine Statue der Madonna von Rudolfov ist aus Tannenholz gefertigt, hinten ausgehöhlt und mit erhaltener originaler Polychromie des Gesichts ausgeführt. Die monumentale und statische Konzeption der Statue orientiert sich an den Steinskulpturen der französischen Kathedralen von Reims und Amiens, deren Stil sich im 13. Jahrhundert auch in deutsche Länder verbreitete.

So ist die Madonna von Rudolfov mit dem sächsisch-thüringischen Raum, insbesondere dem Magdeburger und Naumburger Kreis, verwandt. Diese Verwandschaft entspricht dem Stil der Drapierung auf der rechten Seite der Figur, der Anordnung der Falten am unteren Saum des Umhangs und der organischen Konzeption der Beziehung zwischen Körper und Gewand. Das Kleid ist mit einem goldenen Gürtel umgürtet, der die Plastizität des Körpers betont und regelmäßige vertikale Falten auf den Brüsten erzeugt.

madonna naumburg domDer heute evangelische Naumburger Dom St. Peter und Paul in Naumburg (Saale) ist die ehemalige Kathedrale des Bistums Naumburg und stammt größtenteils aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Er gehört zu den bedeutendsten Bauwerken der Spätromanik in Sachsen-Anhalt, ist eine Station an der Straße der Romanik und seit 2018 UNESCO-Weltkulturerbe. Die Marienpfarrkirche liegt südwestlich des Domes am Südtrakt des Kreuzganges. Ihr Vorgängerbau konnte zwar teilweise ausgegraben werden, sein Alter ist jedoch noch unbestimmt. Erhalten sind der Chor sowie Reste der Außenwände eines hochgotischen Neubaus, der urkundlich 1343 bezogen wurde. Die Kirche wurde vermutlich zusammen mit der Bischofskirche als Pfarrkirche der Domgemeinde gegründet. 1329 übergab man sie dem Domkapitel zur freien Verfügung. Nach dem Brand von 1532 blieb sie eine Ruine. Der jetzt als Winterkirche dienende Raum wurde anstelle des Langhauses erst um 1900 als Turnhalle errichtet. Im Zuge der Landesausstellung 2011 erhielt die Marienkirche ebenfalls eine Orgel. Aber nun zurück zur Madonna von Rudolfov.

madonna marienpfarrkirche naumburgDie von den Schultern bis zum Boden verlaufenden Falten des Mantels laufen auf der linken Seite zum Jesuskind hin zusammen, das somit den ideologischen Schwerpunkt der Skulptur bildet. Die Madonna neigt sich dem Jesuskind auf ihrer linken Seite zu und ihr leicht angewinkeltes rechtes Spielbein mit der ausgestreckten Zehe ragt unter dem Gewand hervor.

Die Geste des Jesuskindes, das mit der rechten Hand das Kinn seiner Mutter streichelt, ist byzantinischen Ursprungs. Es ist nicht nur ein Ausdruck kindlicher Verspieltheit, sondern weist auf die Jungfrau Maria als Vermittlerin der Gnade hin und könnte eine Darstellung der Aussage Christi am Kreuz sein: „Siehe, deine Mutter“, die sich auf seinen Erlösertod bezieht. Symbolisch sind auch die nackten Füße des Kindes, die auf das spätere Opfer Christi hinweisen.

Fundort und Klassifizierung der Figur

madonna rudolfova 02Die Statue wurde 1937 von Vladimír Denkstein in der ehemaligen lutherischen Kirche in Rudolfov gefunden. Leider fehlten Teile der rechten Hand der Madonna, die vermutlich das Zepter hielt, die linke Hand des Jesuskindes und des Schleiers, der einen Teil des Kopfes der Madonna bedeckte. Rund um die abgeschnittene Oberseite der Statue ist eine Rille erkennbar, die vermutlich für die Krone eingekerbt war.

Die Höhe der Statue beträgt 141 cm. Die ursprüngliche Polychromie des Gewandes, die teilweise unter späteren Farbschichten erhalten geblieben ist, war komplett anders denn Maria trug ein purpurrotes Kleid mit einer goldenen Borte am Ausschnitt und einen blauen Umhang mit grünem Futter, während Jesus ein korallenrotes Hemd trug. Die Statue wurde 1946–1948 von Prof. Bohuslav Slánský restauriert.

madonna rudolfova 03Die Statue wurde 1946–1948 von Prof. Bohuslav Slánský restauriert.

Über die Datierung des Werkes gehen die Meinungen, wie so oft, weit auseinander.

Aufgrund einiger formaler Merkmale (die schalenförmigen Falten des Gewandes auf der rechten Seite) kann das Werk auf das Ende des 13. Jahrhunderts datiert werden, die Geste des Jesuskindes (identisch auch die Madonna von Strakonice) verweist jedoch auf das Ende des 13. Jahrhunderts im neuen Stil, der durch Vertikalität und Dematerialisierung gekennzeichnet ist.

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