Meinungs- und Pressefreiheit nach wie vor großes Problem

Meinungs- und Pressefreiheit nach wie vor großes Problem

Das wohl prominenteste Mitglied des Internationalen Verbandes der Buchverlage (IPA), der neue Vorsitzende des IPA Freedom to Publish Comittee (IFTPC) Ola Wallin, hat die Türkei aufgefordert, die Journalisten, Schriftsteller und Übersetzer endlich aus der Haft zu entlassen, die nach den Anti-Terrorgesetzen verhaftet, noch immer in U-Haft sitzen.

Für Journalisten und Herausgeber herrschen in der Türkei immer noch  unzumutbare Bedingungen, denn die Haltung des Landes zur freien Meinungsäußerung sei "besorgniserregend".

Wallin war angereist, um sich hier mit den bekannten türkischen Verlegern Ragıp Zarakolu und İrfan Sancı zu treffen. Beiden droht wegen der Herausgabe einer Übersetzung des französischen Dichters Guillaume Apollinaires  (1880-1918) eine Freiheitsstrafe zwischen sechs und zehn Jahren. Besonders im Blick hat man den Fall des türkischen Verlegers İrfan Sancı, der nach einem Freispruch nun erneut vor Gericht muss. Der Berufungsgerichtshof in Ankara hat die früheren Freisprüche für den Herausgeber und seinen Übersetzer aufgehoben. Das erstmals 1911 veröffentlichte Buch „Die Heldentaten des jungen Don Juan“ verstoße nach Ansicht des Gerichts gegen den Obszönitäts-Paragraphen. Es enthalte Schilderungen „lesbischer, unnatürlicher und mit Tieren vollzogener sexueller Beziehungen“.

Im Sommer 2013 dann die Kehrtwende: Sie müssen erneut vor Gericht.

pressefreiheit 3Der Verlag Sel Yayincilik des Herausgebers Sancı wollte 2009 eine erotische Serie herausgeben. Ein Jahr darauf fand sich er sich vor Gericht wieder. Zunächst schloss sich das Gericht in erster Instanz der Straßburger Argumentation an und der Verleger Irfan Sanci und sein Übersetzer Ismail Yerguz wurden freigesprochen. Im Sommer 2013 dann die Kehrtwende: Sie müssen erneut vor Gericht. Beiden drohen nun Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Auch der türkische Verlegerverband protestierte heftig gegen diese Entscheidung. Er forderte die türkische Regierung auf, alle Schranken für die Freiheit von Veröffentlichungen zu beseitigen. Bislang ohne Erfolg.

Verständlicherweise will der internationale Verband der Buchverlage (IPA) die prekäre Situation von Schreibenden in der Türkei nicht länger hinnehmen. Der schwedische Verleger fordert die Türkei auf, Journalisten, Schriftsteller und Übersetzer endlich aus dem Gefängnis zu holen:

„In der Türkei tätige Schriftsteller, Journalisten, Übersetzer und Verleger werden durch eine Reihe von Gesetzen und Vorschriften, insbesondere durch die Anti-Terror-Gesetze des Landes sowie durch das Türkische Strafgesetzbuch, die vorgeben, dem Land seine Würde zu geben und gegen Rassenhass, Obszönität und Diffamierung vorzugehen, bedroht.“

Der Verband fordert ihre umgehende Freilassung.

In Folge des Missbrauchs dieser Gesetze befänden sich derzeit noch viele Journalisten und Herausgeber im Gefängnis oder würden von den Strafverfolgungsbehörden bedroht. Drei weitere Beispiele, die hier für viele stehen, sind Deniz Zarakolu, Ayse Berktay und Nedim Şener. Sie alle befänden sich im Augenblick in Haft oder würden mit Gefängnis bedroht, weil sie ihre Menschenrechte wahrnähmen würden.

 „Ich bin nicht sicher, ob ich meiner Arbeit als Verleger unter diesen Bedingungen weiter nach gehen könnte, wenn ich in der Türkei leben würde“, sagte Wallin gegenüber der  türkischen Zeitung Hürriyet. „Irgendetwas läuft hier falsch. Es wird hier gegen Menschen wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung vorgegangen, ohne dass sie Gewalt angewendet hätten. Das ist undemokratisch. Die Türkei ist ein modernes Land und hat wirtschaftlich bemerkenswerte Entwicklungen vollzogen. Doch die Steine, die der Meinungsfreiheit in den Weg gelegt werden, sind besorgniserregend“, so Wallin weiter.
Nach Angaben der IPA befinden sich derzeit 66 Journalisten, Schriftsteller und Übersetzer hinter Gittern. Die meisten von ihnen seien eingesperrt ohne dass bisher überhaupt Anklage erhoben worden sei. Der Verband fordert ihre umgehende Freilassung. Darunter auch die von Berktay und Zarakolu, die bereits seit mehr als zwei Jahren im Gefängnis sitzen. Auch Reporter ohne Grenzen bezeichnen die Türkei derzeit als das „weltgrößte Gefängnis für Journalisten“.

Josef Haslinger, Pen-Präsident zum Tag des inhaftierten Schriftstellers in der Westdeutschen Zeitung:

pressefreiheit 4Herr Haslinger, wo werden Autoren besonders unterdrückt?
Josef Haslinger: In Syrien ist die Situation 2013 unüberschaubar geworden. Spitzenreiter ist aber nach wie vor China. Dort sitzt Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo in Haft, und mindestens 40 namentlich bekannte Schriftsteller, Journalisten und Blogger, unter ihnen Kunchok Tsephel Gopey Tsang, der eine 15-jährige Haftstrafe verbüßt für das Verbrechen, eine tibetische Website betrieben zu haben.
Von den europäischen Ländern haben Weißrussland und die Türkei den schlechtesten Menschenrechtsstatus. In Weißrussland wurde der bedeutendste Literaturverlag, Lohvinau, geschlossen und die diesjährige Friedenspreisträgerin Swetlana Alexijewitsch darf ihre weltweit übersetzten Bücher nicht veröffentlichen.
Wie steht es um die Freiheit von Internet-Autoren?
Haslinger: Die Probleme der Blogger nehmen auf der ganzen Welt zu, vor allem auch wieder in China, Vietnam und den arabischen Ländern. In der Türkei wurde Fazil Say wegen Religionsbeleidigung verurteilt, weil er literarische Texte getwittert hat.
Wie werden Autoren unterdrückt?
Haslinger: Websites werden gehackt und mit Firewalls abgeschirmt. Die Autoren werden attackiert, verhört, inhaftiert. Es werden ihnen die Pässe weggenommen, sie werden unter Hausarrest gestellt – oft auch die Familienangehörigen. Berichte über Folter gibt es aus vielen Staaten, aus Nordkorea, China, Vietnam, auch aus der Türkei. Und bekanntlich lässt sich selbst die CIA immer wieder neue Methoden einfallen.

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