Wir folgen den Schildern zur Wasserburg Heldungen

Wir folgen den Hinweisschildern zur Wasserburg Heldungen

Einige Male waren uns bereits Straßenschilder zur Wasserburg im thüringischen Ort Heldungen aufgefallen, denen wir bislang nicht gefolgt waren.

Das sollte sich nun endlich ändern, denn unsere Recherche hatte ergeben, dass die Wasserburg Heldrungen die einzige, vollständig erhaltene, befestigte Wasserburg französischer Festungsbaukunst in Deutschland ist. Die Wasserburg Heldrungen wurde bis 1712 als Festung mit zwei Wassergräben, vier Vaubanschen Bastionen und fünf Rondellen militärisch genutzt. Der Kern der Festung zeigt sich als bastioniertes Schloss von 1519, während die umgebenden Wälle und Bastionen von 1668 stammen. Das Haupttor der Festung wird wiederum von zwei mächtigen Rundtürmen flankiert, die beeindruckend mächtig die Passage über den äußeren Wassergraben bewachen. Klar war von vornherein, dass die eigentliche Wasserburg wohl aufgrund der Pandemie geschlossen sein würde, wir hofften trotzdem auf einige prachtvolle Bilder und interessante Geschichten, zumal nach der entscheidenden Schlacht im Bauernkrieg bei Frankenhausen im Jahre 1525 der Anführer der Bauern, Thomas Müntzer, hier gefangen gehalten wurde.

Unser erster Weg führte in die geöffnete, lutherische Freikirche direkt am Weg zur Festung gelegen, wo wir durch den anwesenden Kirchendiener einige erste Fakten zur Wasserburg und seiner Geschichte hörten. So erfuhren wir auch, dass sich heute eine Jugendherberge in der Burganlage befindet, die natürlich auch geschlossen war. Wir erhielten auch den Hinweis, dass es einen zwar nur teilweise erschlossenen Pfad um den äußeren Wasserring der Festung gab, dem wir dann voller Interesse folgten.

Bauernkrieg und Dreißigjähriger Krieg

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_thueringen_wasserburg-heldungen-1.jpgIm Bauernkrieg spielte die Festung eine wichtige Rolle als Rückzugsort des regionalen Adels. Nach der Schlacht bei Frankenhausen wurde der Bauernführer Thomas Müntzer im Mai 1525 in der Burg bis zu seiner Hinrichtung gefangen gehalten und gefoltert. Müntzer war als Priester zunächst ein engagierter Anhänger und Bewunderer Martin Luthers. Allerdings richtete sich sein Widerstand nicht nur gegen die vom Papsttum beherrschte geistliche Obrigkeit, sondern auch gegen die ständisch geprägte weltliche Ordnung. Wegen Müntzers radikaler sozialrevolutionärer Bestrebungen und seiner spiritualistischen Theologie, die sich in vielen kämpferischen Texten und Predigten niederschlugen, distanzierte sich Luther zu Beginn des Bauernkrieges von ihm.

Im Gegensatz zu Luther stand Müntzer für die gewaltsame Befreiung der Bauern und betätigte sich in Mühlhausen/Thüringen, wo er Pfarrer in der Marienkirche war, als Agitator und Förderer der Aufstände. Dort versuchte er, seine Vorstellungen einer gerechten Gesellschaftsordnung umzusetzen: Privilegien wurden aufgehoben, Klöster aufgelöst, Räume für Obdachlose geschaffen, eine Armenspeisung eingerichtet. Schließlich scheiterten seine Bestrebungen, als Bauernführer verschiedene Thüringer Freibauern zu vereinigen, an der Strategie des Adels. Nach der Schlacht bei Frankenhausen wurde er am 15. Mai 1525 gefangen genommen. Den Bauern blieb als Fluchtweg nur der Weg in die Stadt, wo sie von Söldnern erschlagen wurden. Nur wenigen Aufständischen gelang die Flucht, darunter Hans Hut. Müntzer wurde am 27. Mai 1525 gefoltert, öffentlich enthauptet und sein Leichnam aufgespießt.

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_thueringen_wasserburg-heldungen-2.jpgIm Schmalkaldischen Krieges gab es 1546 und 1547 Gefechte um die Festung. Im Dreißigjährigen Krieg kam es am 23. Oktober 1632 zur Eroberung der Festung durch Wallensteins Truppen unter General Merode. Alle Festungsinsassen wurden nach der Eroberung ermordet. Bis 1645 wechselte die Festung während des Dreißigjährigen Krieges häufig den Besitzer, bevor sie dann 1645 von den Schweden erobert wurde. Während der Belagerung wurde die Festung stark beschädigt. Noch 1645 wurden die äußeren Wälle geschleift. 1664 bis 1668 errichtete Johann Moritz Richter einen neuen modernen äußeren Festungsgürtel nach dem Vaubanschen System. Ab 1680 verlor die Festung an Bedeutung und die gesamte Anlage verfiel langsam. Die letzte Garnison, die auf der Festung lag, wurde am 17. Dezember 1712 durch den Kriegsrat von Tottleben verabschiedet. Durch den Wiener Kongress kamen Ort und Festung Heldrungen 1815 an das Königreich Preußen. Wegen der fehlenden militärischen Bedeutung wurde die Festung 1860 aus dem Verzeichnis preußischer Festungen gestrichen.

Entstehungs- und Nutzungsende der Wasserburg Heldungen

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_thueringen_wasserburg-heldungen-3.jpgAls erste Befestigungsanlage wurde vermutlich eine hölzerne Fluchtburg für die Bewohner des nahen Rittergutes „Roter Hof“ an dieser Stelle erbaut. Die erste urkundliche Erwähnung fand 1126 statt. Die Burg befand sich seiner Zeit im Besitz der Herren von Heldrungen. Um 1190 wurde eine erste steinerne, romanische Burganlage erbaut. Das mehrstöckige Schloss aus dem Zeitraum der Renaissance geht auf eine Burg des 13. Jahrhunderts zurück und zeigt in seinem Aufbau noch einige Architekturteile aus der Zeit der Gotik, wie zum Beispiel die Aufteilung der Fenster. Um 1400 kam die Burg in den Besitz der Grafen von Hohnstein. Diese mussten wegen hoher Verschuldung 1479 die Burg an Graf Ernst II. von Mansfeld-Hinterort (1479–1531) verkaufen. Graf Ernst II. von Mansfeld ließ ab 1501 die Burg renovieren und zum Wohnsitz ausbauen. Von 1512 bis 1518 erfolgte der Bau der vierflügeligen Renaissance-Schlossanlage für Graf Ernst II. und dessen zweite Frau Dorothea von Solms.

In den Jahren nach 1519 wurden dann Festungswerke mit insgesamt 12 Rondellen in zwei Festungsgürteln und doppeltem Wassergraben rund um das Schloss erbaut. Aus der Wasserburg wurde eine Festung, die in ihrer Zeit als uneinnehmbar galt. Der Komplex aus Schloss und unabhängigem Festungsgürtel ist durch die im sächsischen Raum aufkommende Frührenaissance geprägt und stellt ein frühes Beispiel des „bastionierten Schlosses“ dar. Vergleichbar sind das Schloss Hartenfels in Torgau, das Schloss Wittenberg in Wittenberg und die Moritzburg in Halle.

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_thueringen_wasserburg-heldungen-4.jpgEin romanischer Bergfried, der wegen des dort gefangen gehaltenen Bauernführers auch „Müntzer-Turm“ genannt wird, ist in den Südflügel des Schlosses integriert. Das Bauwerk wurde im Laufe der Zeit des Öfteren umgebaut und es wurden baufällige Teile abgerissen, dennoch präsentiert sich heute das Schloss in einer vorbildlich restaurierten Fassung.

Die barocke Festung ist im Wesentlichen ein Bauwerk aus Erde mit einer sparsamen Verwendung von Mauerwerk.

Ab dem 18. Jahrhundert verlor die Festung immer mehr an Bedeutung.

Treffen mit einer Anwohnerin während des Rundgangs

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_thueringen_wasserburg-heldungen-5.jpgWir hatten etwa die Hälfte des Rundgangs entlang des ersten äußeren Befestigungsrings absolviert, als es ein weiteres interessantes Zusammentreffen mit einer älteren Dame gab, die uns weitere Details zur Wasserburg berichten konnte. So auch, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Gebäude der Wasserburg von etwa 30 Familien als Wohnung genutzt wurden.

Ab 1930 wurden erste Werterhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Heute beherbergt die Burg eine leider zur Zeit geschlossene Jugendherberge. Die Gäste können sich hier auf eine Zeitreise ins Mittelalter begeben, zum Beispiel beim Bogenschießen im Gewölbekeller, beim Boot fahren auf dem Wassergraben rund um die Burg oder im Mittelalterkabinett mit viel Wissenswertem über das Leben von Rittern und den Burgfräuleins.

Durch die DDR wurden zur Erhaltung der Bausubstanz ab 1974 umfangreiche Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt. Diese Arbeiten wurden auch nach der deutschen Wiedervereinigung weitergeführt. Auf dem freien Platz vor dem Nordflügel befindet sich seit 1976 ein von den Künstlern Hans-Hermann Richter und Johann-Peter Hinz geschaffenes Müntzerdenkmal, auf dem Fürstenknechte den gefangenen Müntzer einrahmen. Ein kraftvolles junges Paar sowie drei geschlagene Bauern ergänzen das Objekt.

Vor allem die inneren und äußeren Befestigungsringe mit den Bastionen konnten vor dem Verfall gerettet werden. 1990 wurde das Burgcafé eröffnet, das inzwischen wieder geschlossen wurde.

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