Origami in der Rostocker Nikolaikirche

Origami in der Rostocker Nikolaikirche

Origami – Während unseres Besuchs in der Rostocker Nikolaikirche waren wir zunächst über die Vielfalt der dort ausgestellten Bonsai so verwundert, das uns eine weitere Gruppe aktiver Menschen in der riesigen Kirche kaum aufgefallen waren – ruhig und in sich gekehrt an Tischen sitzend waren sie mit dem Falten von Papier beschäftigt.

Ausgehend von zumeist quadratischen Blättern Papier entstanden durch Falten zwei- oder dreidimensionale Objekte wie Tiere, Papierflieger, Gegenstände und geometrische Körper. Sofort waren wir allein aufgrund der ausgestellten Objekte begeistert dabei - Das Origami ist die wahre Kunst des Papierfaltens.

Origami – Feinmotorik und Erkennen geometrischer Zusammenhänge

origami rostock 02Kein Wunder, dass unser Interesse an den ausgestellten Figuren auch von einigen Origami-Künstlern bemerkt wurde und so folgte schnell die Einladung, am Tisch Platz zu nehmen und selbst aktiv zu werden.

Der Klub der Origami-Freunde hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Event der Bonsai-Ausstellung parallel mit der Ausstellung ihrer Kunstwerke zu bereichern und somit gleichzeitig für das Origami selbst zu werben.

Im Mittelpunkt des Interesses war hier nicht nur das Origami mit einem künstlerischen, sondern auch mit einem pädagogischen Zugang zu betrachten. Denn neben dem Verbessern feinmotorischer Fähigkeiten, Erlernen akkuraten Arbeitens, Folgen von Anweisungen und Erkennen geometrischer Zusammenhänge, ist die Konzentration die zentrale Komponente, die mit Hilfe von Origami gefördert werden kann.
origami rostock 03Einen zweiten pädagogisch-therapeutischen Mehrwert bildet die Stärkung sozialer Kompetenz in den Bereichen Miteinander, Kommunikation, Fremdwahrnehmung und Selbstkontrolle.

Da es nicht um Geschwindigkeit geht, sondern der kreativ-ästhetische Aspekt und natürlich der Spaß am Erschaffen im Mittelpunkt stehe, gibt es untereinander auch keinen Wettbewerb, bzw. wird dieser dort schnell abgewöhnt.

Von den Fertigkeiten her heterogene Kleingruppen eignen sich dabei besonders gut – hier sind die Möglichkeit gegenseitiger Motivation und Unterstützung für den individuellen Selbstwertaufbau am größten.

Übernahme der Origamitechniken auch in Kindergärten

origami rostock 04Die ursprünglich aus Japan stammende Papierfaltkunst hat auch Friedrich Fröbel in die Konzeption seiner Kindergärten übernommen und sehr erfolgreich etabliert. Friedrich Wilhelm August Fröbel war ein deutscher Pädagoge, der sich kritisch und produktiv insbesondere mit der Pädagogik Pestalozzis auseinandersetzte. Sein besonderes Verdienst besteht darin, die Bedeutung der frühen Kindheit nicht nur erkannt, sondern durch die Schaffung eines Systems von Liedern, Beschäftigungen und „Spielgaben“ die Realisierung dieser Erkenntnisse vorangetrieben zu haben. Mit der Stiftung des „Allgemeinen deutschen Kindergartens“ am 28. Juni 1840 in Blankenburg begann Fröbel, seine Erkenntnisse, wonach bereits in der frühen Kindheit der Nährboden für die weitere Entwicklung des Menschen gelegt wird, praktisch umzusetzen. Der Kindergarten unterschied sich von den damals bereits existierenden Kinderbewahranstalten und Kleinkinderschulen durch die pädagogische Konzeption.
Die Arbeit mit Kindern am Papier hat also vor allem in therapeutischen Settings, Kindergarten und Schule Erfolge vorzuweisen. So gibt es in Japan und Israel Schulen mit Origami als Unterrichtsfach inkl. einer theoretisch-konzeptionellen Fundierung.

origami rostock 05Im Jahr 610 wurde das Papier durch buddhistische Mönche von China nach Japan gebracht, wo das Papierfalten in der Muromachi-Zeit (1333–1568) eine erste und in der Edo-Zeit (1603–1868) eine zweite Blüte erlebte. Da Papier zu jener Zeit recht teuer war, war es vermutlich zeremoniellen Faltungen vorbehalten, wie etwa für Noshi in der Muromachi-Zeit.
Unabhängig davon entwickelte sich die europäische Papierfaltkunst, die sich von Ägypten und Mesopotamien aus im 16. Jahrhundert nach Spanien und später weiter in Westeuropa ausbreitete. Im 16. Jahrhundert wurden insbesondere in Italien an vielen Höfen aufwendige Dekorationen aus gefalteten Tischservietten gefertigt und diese Tradition der Tischdekoration breitete sich schnell in Nordeuropa aus.
1880 führte der japanische Kaiser landesweite Kindergärten nach dem Fröbelschen Vorbild ein. Dadurch wurde die traditionelle japanische Falttradition um zentrale Elemente der heutigen Origamitechnik ergänzt, wie die Vermeidung von Schnitten oder Farbmarkierungen auf den Modellen sowie die Einführung von Grundformen.

Der Kranich als herausragende Figur des Origami

origami rostock 06Lange Zeit kannte man im Origami nur eine kleine Anzahl traditioneller Modelle wie z. B. den Kranich (Japan) oder die Pajarita (Spanien). Erst der Japaner Akira Yoshizawa (1911–2005) brach mit traditionellen Vorlagen und schuf neue Modelle. Er entwickelte ein System aus einfachen systematischen Zeichnungen (Diagramme genannt), um Faltanleitungen zu erstellen, die weitergegeben und allgemein verstanden werden konnten. Dieses System ist die Basis für das Yoshizawa-Randlett-System, die heute übliche Notation für Faltanleitungen.
Innerhalb kurzer Zeit kam es zu einer Revolution des Origami, die Modelle mit einer Komplexität hervorbrachte, die man zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Eine große Rolle spielten dabei die sogenannten „Bug-Wars“ in den 1960er Jahren, ein freundschaftlicher Wettstreit zwischen mehreren Faltern (z. B. Robert J. Lang), der zum Ziel hatte, möglichst lebensechte Käfer und Insekten zu falten.
Moderne Origamimodelle sind mitunter sehr komplex und man benötigt oft mehrere Stunden, um sie zu falten. Andererseits bevorzugen viele Origamifalter auch heute noch einfache Strukturen und Formen; manche Falter spezialisieren sich auch auf ganz bestimmte Modelle (z. B. Schachteln).
Nach einer japanischen Legende wird demjenigen, der tausend Origami-Kraniche faltet, von den Göttern ein Wunsch erfüllt. Seit dem Tode des Atombombenopfers Sadako Sasaki, die mit dem Falten von Kranichen vergeblich gegen ihre durch die Strahlung verursachte Leukämie-Erkrankung ankämpfte, sind Origami-Kraniche auch ein Symbol der internationalen Friedensbewegung und des Widerstandes gegen den Atomkrieg.

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