Abderitismus - Schildbürger der Antike in Abdera

Abderitismus - Schildbürger der Antike in Abdera

Unsere Recherche über die antike Stadt Abdera an der griechischen Ägäisküste hatte uns  gezeigt, wie eng das Netz der Besiedlung bereits vor Christus geknüpft und damit die Handelsbeziehungen verknüpft waren.

Ein weiterer, interessanter Gesichtspunkt unserer Recherche war die Erkenntnis, dass die damaligen Bürger der Stadt Abdera einen vergleichbar den Schildbürgern „einfältigen“ Ruf in der Antike besaßen. Wer als Bürger zugab, aus Abdera zu stammen, war gemeinhin zunächst einmal als etwas einfältiger Trottel angesehen. Noch heute wird deshalb der Begriff „Kleinstädterei“ oder besser Schildbürgertum auch mit Abderitismus beschrieben. Und das trotz der Anwesenheit berühmter griechischer Philosophen und Dichter wie Leukipp, Demokrit, Protagoras, Anaxarch und Anakreon.

Schildbürger, wohnhaft im fiktiven Ort Schilda

abdera lalebuchIn seinem satirischen Roman „Die Abderiten“ aus dem Jahr 1774 verlegt Christoph Martin Wieland den Ort seiner Satire in Anspielung auf diese Vergangenheit nach Abdera, gleichwohl um damit zu zeigen, dass die typisierte Form der Narrheit als menschliche Grundkonstante gelten kann und entsprechend an jedem Ort und zu jeder Zeit zu finden ist.

Die Schildbürger, wohnhaft im fiktiven Ort Schilda, sind Hauptakteure einer ganzen Reihe von kurzen Erzählungen, den Schildbürgerstreichen. Die Schwanksammlungen zu den Schildbürgern sind neben denen zu Till Eulenspiegel die bekannteste deutsche Sammlung von Schelmen-Geschichten in Romanform.

Eine Sammlung bzw. ein Volksbuch mit Schildbürger-Schwänken zum Inhalt erschien 1597 erstmals unter dem Titel „Das Lalen-Buch. Wunderseltzame/ Abentheurliche/ unerhörte/ und bißher unbeschriebene Geschichten und Thaten der Lalen zu Lalenburg“. Bekannt wurde die zweite Ausgabe von 1598 mit dem Titel „Die Schiltbürger“: mehrere Autoren sind als ihr Urheber im Gespräch, u. a. Friedrich von Schönberg. Wie der Till Eulenspiegel oder der Faust geht auch das Lalebuch nicht auf eine fremdsprachige Vorlage zurück. Vielmehr wurden Schwänke und Erzählungen, die im Umlauf waren, aufgegriffen und kunstvoll, mit vielen gelehrten Andeutungen gespickt, zu einem Ganzen verarbeitet.

abdera insel der weisheit 1922Obwohl Abdera die Heimatstadt der berühmten, der atomistischen Schule von Abdera zugerechneten griechischen Philosophen Leukipp (allerdings wird ihm auch Milet zugeschrieben), Demokrit, Protagoras und Anaxarch war und der Dichter Anakreon von Teos hierher zog, hatten die Bewohner der Stadt einen ähnlichen Ruf wie die Schildbürger. Wer als „Abderit“ bezeichnet wurde, galt in der Antike als einfältiger Mensch. Antike Naturforscher sahen die Ursache hierfür in den in Abdera vorherrschenden klimatischen Verhältnissen sowie im Vorkommen einer bestimmten Sorte von Nieswurz.

Entsprechend dieser Anschauung der Abderiten wird auch Kleinstädterei beziehungsweise Schildbürgertum als Abderitismus bezeichnet. In Anspielung darauf lokalisiert noch Christoph Martin Wieland seinen satirischen Roman in Abdera. Sein Roman stellt die typisierte Narrheit der Abderiten als menschliche Grundkonstante dar, die, zu allen Zeiten an allen Orten zu finden, gleichsam kosmopolitisch ist. Auch Friedrich Dürrenmatt lokalisiert sein satirisches Hörspiel "Der Prozess um des Esels Schatten" (1951) in Abdera. In seinem 1922 erschienenen utopischen Roman "Die Inseln der Weisheit" verteidigt Alexander Moszkowski die angebliche Blödheit der Abderiten als eine unserer Zeit überlegene Vernunft:

Abdera ist überall, ist kosmopolitisch.

abdera till eulenspiegel 05In dem Utopischen Roman von Alexander Moszkowski, verteidigt der Autor diese angebliche Blödheit der Menschen, besser der Abderiten als eine der modernen Zeit überlegene Vernunft: 
"Wir halten es für ausgemacht, dass Abdera eine Brutstätte der Dummheit gewesen ist, und die bekannten Beweise genügen uns.

Folglich ist es vernünftig, die Abderiten für Blödlinge zu halten. Ich brauche nur den Gesichtswinkel etwas zu verschieben, und die Dinge verkehren sich ins Gegenteil... waren die Abderiten wirklich so wie sie geschildert werden, dann repräsentieren sie einen höheren Menschenschlag, und wir haben alle Ursache, sie zu beneiden."

abdera till eulenspiegel 1515 007Viele der heutigen Falschentwicklungen in Technik und Energieversorgung und den damit verbundenen Fehlinvestitionen sind während des Verlaufs der letzten 35 Jahre bereits von vielen so genannten ewig „Gestrigen“ oder Träumern als unsinnig, ja töricht bezeichnet worden. Nehmen wir nur das Beispiel Kernenergie. Hat man nicht „Ökos“ und "Grüne" auch über Jahre als etwas spleenig und weltfremd abgetan? Waren diese Leute die Abderiten unserer Tage?

Heute weiß man, dass diese technische Entwicklung in eine völlig falsche Richtung gelaufen ist, so problematisch sind Folgekosten und sogenannte „Endlagerung“.

Der Stamm der Abderiten ist in die Neuzeit weitergezogen. Und dies ist nur ein Beispiel von Vielen.

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