Der Orontes – bedeutender Wasserlieferant im Bekaa-Tal

Der Orontes – wichtigster Wasserlieferant des „Morgenlandes“

Seit den beiden vergangenen Jahrhunderten ist die für Europäer häufig mit Morgenland bezeichnete Region der aufgehenden Sonne, der Nahe Osten, ein wesentlicher Bestandteil in der archäologischen Erforschung und in der Entwicklungsgeschichte der Menschen und ihrer Siedlungsgebiete.

Besonders der Versorgung mit Wasser kam in den heute sehr trockenen Gebieten eine besondere Bedeutung zu, wenn es um Ansiedlungen ging, die dauerhaft genutzt werden sollten. Ein gutes Beispiel hierfür bildet auch der Fluss Orontes, der in seinem Verlauf den Libanon, Syrien und die Türkei durchfliest, trotz seiner insgesamt nur 240 Kilometer Länge.

Kornkammer Bekaa Ebene schon zur Römerzeit von Bedeutung

Die Quelle des Orontes liegt in der nördlichen Bekaa-Ebene (Labweh), überquert Richtung Norden die syrische Grenze und folgt im weiteren Verlauf dem Tal des Afrikanischen Grabenbruchs, der sich durch die syrische Ghab-Ebene zieht. Die Bekaa-Ebene gilt aufgrund der zahlreichen Bewässerungssysteme heute als die Obst- und Gemüsekammer des Libanon, einer Kornkammer, die allerdings schon den Römern bekannt war. Entsprechend nutzten die Römer die Region zur Getreidegewinnung für die Versorgung des antiken Roms und zur Anlage von Städten, worunter auch Baalbek mit seinen zahlreichen römischen Tempelruinen zählt.  Weitere antike römische Bauten in Niha, Qsarnaba und Majdel Aanjar lassen Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Kornkammer zu.

b_450_450_16777215_00_images_turkey_turkish_riviera_adana_orontes-river-flood.jpgGanz im Gegensatz zum in unmittelbarer Nähe entspringenden Fluss Litani, der nach Süden abfliest, fliest das Wasser des Orontes parallel zum Meer in Richtung Norden. Schon nach kurzem Verlauf nach der Quelle geht es fast 600 Meter hinab durch eine Schlucht bis zum See von Homs, der schon in der Antike von den Römern zur Nutzung des Wassers zur Felderbewässerung aufgestaut wurde. In der Region von Hamah weitet sich das Tal stark auf und bot so den Platz für weitere antike Städte wie Apamea und Larissa. Bis zu der felsigen Barriere des Jisr al-Hadid Gebirgszuges setzt sich das Orontes Tal fort. Jetzt ändert der Fluss seine Richtung nach Westen bis er die Ebene von Antioch erreicht.

Durch zwei mächtige Nebenflüsse aus dem Norden, dem Afrin und dem Karasu, die durch den früheren See von Antioch fließen, gewinnt der Orontes an Mächtigkeit. Heute ist die Region durch einen künstlichen Kanal, dem Nahr al-Kowsit, der Wassermassen größtenteils beraubt. Weiter geht es entlang der modernen Stadt Antakya, wie Antioch heute genannt wird, auf nunmehr türkischem Territorium südwestlich in eine weitere Schlucht, wo das Wasser des Orontes während der nächsten 16 Kilometer weitere 50 Meter tiefer in Richtung Meer fließt. Bei der kleinen Hafenstadt Samandagi, das in der Antike mit Seleucia Pieria bezeichnet wurde, gelangen die Wasser des Orontes nach 240 Kilometern seit seiner Quelle ins Meer.

Orontes - Nicht schiffbar und trotzdem bedeutende Route

b_450_450_16777215_00_images_turkey_turkish_riviera_adana_orontes-river-dam.jpgDer Orontes ist fast im gesamten Verlauf für Schiffe nicht nutzbar und trotzdem basiert seine geschichtliche Bedeutung, neben der Versorgung mit Wasser, hauptsächlich darauf, das der Orontes als Verkehrsweg genutzt wurde. Um die Gebirge zu durchqueren wurde das Orontes Tal genutzt, Verkehr vom Norden nach Süden zu ermöglichen und Straßen von Nord nach Nord-Ost bis nach Antioch anzulegen. Man folgte dem Verlauf des Flusses bis nach Homs wo der Al-Rastan Damm angelegt wurde, wo der Verkehrsweg sich Richtung Damaskus und Syrien gabelte. Weiter nach Süden durch das Tal gelangten schon immer neben dem Handelsverkehr auch die Armeen von und nach Ägypten. Die berühmte Schlacht von Kadesh während der Regierungszeit von Ramsses II (1279 - 1213 vor Christus) wurde am Orontes ausgetragen. Als im Jahr 853 vor Christus die Armee der Assyrer unter König Shalmaneser III auf die alliierte Armee der 12 Könige unter Führung Hadaezers von Damaskus traf, kam es zur Entscheidungsschlacht von Qarqar, ebenfalls am Orontes. Im Jahr 637 nach Christus wurde an der sogenannten Eisernen Brücke, die von den Römern erbaut worden war, die Schlacht an der Eisernen Brücke zwischen den Streitkräften des Rashidun Caliphate und dem Byzantinischen Großreich ausgetragen.

Über viele Jahrhunderte bildete der Orontes den natürlichen Grenzverlauf zwischen den häufig wechselnden Staaten. Schon die Ägypter sahen den Orontes als ihre nördliche Grenze zur Region Annurru, im Osten von Phönizien. Für die Kreuzfahrer des 12. Jahrhunderts war der Orontes die dauerhafte Grenze zwischen den Regierungsbezirken von Antioch und Aleppo. Allein der Name des Orontes wechselte während der Geschichteaufgrund wechselnder Herrschaften vom Fluss des Levantes zu Draco, Typhon und Axius. Hinzu kamen die unterschiedlichen Bezeichnungen in den Ländern, so wurde der Orontes auch mit dem modernen Namen Asi betitelt, was umgangssprachlich „Rebel“ bedeutet, da der Orontes im Gegensatz zu allen anderen Flüssen von Süden nach Norden fließt.

Wie bedeutend dieser kleine Fluss Orontes für die Menschen in der Geschichte war, lässt sich auch aufgrund der Beschreibung im Buch „Un jardin sur lÓronte“ des französischen Dichters Maurice Barres (1862 – 1923) nur erahnen.

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