Der jüdische Friedhof in Rödelsee am Schwanberg

Der jüdische Friedhof in Rödelsee am Schwanberg

Während des vergangenen Jahres waren wir während eines Besuchs in Kitzingen auch auf den nahe liegenden Schwanberg gefahren, um einige Fotos von den Weinstöcken und der umgebenden Landschaft zu machen.

Der hoch gelegene Standort hatte unseren Blick auch auf ein mit einer Mauer umgebenes, großes Gelände ermöglicht, dass, wie wir später erfuhren, ein jüdischer Friedhof ist. Unser Interesse wurde noch verstärkt, als wir erste Informationen über diesen jüdischen Friedhof, der als einer der größten in Bayern gilt, zusammen tragen konnten.

Wir wollten also die erneute Anwesenheit in Kitzingen nutzen, auch den jüdischen Friedhof aufzusuchen. Von Rödelsee aus verließen wir den Ort über die alte Iphöfer Straße, fahren dann etwas nach links und biegen dann auf den nächsten betonierten Weg nach rechts ab. Etwa auf Höhe des Friedhofs führt ein Fahrweg direkt zum Eingangsbereich, der jedoch nicht ganz erreicht wird. Etwa 200 Meter vorher sollte das Fahrzeug geparkt werden und der Rest des Weges zu Fuß zurück gelegt werden.

Rödelseer jüdische Friedhof wurde die zentrale Begräbnisstätte

juedischer friedhof roedelsee 1Der jüdische Friedhof in Rödelsee wurde im 15. Jahrhundert angelegt, erstmals urkundlich erwähnt wird er bereits im Jahr 1432 und dann wiederum1526. Im Jahr 1563 bestätigte der hochherrschaftliche Grundbesitzer, namentlich Wilhelm Moritz von Heßberg, das Bestehen des jüdischen Friedhofs. Man schreibt das Jahr 1602, als der Bau der Umfassungsmauer und Bau eines Taharahauses genehmigt wird. Der Rödelseer jüdische Friedhof wurde die zentrale Begräbnisstätte mehrerer umliegender jüdischer Gemeinden, u. a. von Großlangheim, Hüttenheim, Kitzingen, Mainbernheim, Mainstockheim und Marktbreit. Auf Grund mehrerer Erweiterungen, die erste erfolgte bereits im Jahr 1614, ist der Friedhof in fünf Gräberfelder gegliedert. Im 19. Jahrhundert erfolgte eine nochmalige Erweiterung, so das die gesamte Friedhofsfläche dann 188,30 Ar betrug, die mehr als 2.500 Grabsteine aufweisen kann.

Heute ist der Friedhof im Besitz der israelitischen Kultusgemeinde und wird von München aus verwaltet. Das Betreten des Friedhofs geschieht auf eigene Gefahr, zu locker sitzen einige Grabsteine aufgrund von Verwitterung und Stürmen in ihren Fundamente, so das sie leicht umfallen können.

juedischer friedhof roedelsee 3Leider wird auch dieser Friedhof immer wieder von ungebetenen Besuchern heimgesucht, so das auch wir die Eingangspforte verschlossen vorfanden. Eine Hinweistafel teilt allerdings mit, das der Schlüssel zur Pforte in Rödelsee erhältlich ist, so das der Besucher das Gelände betreten kann. Hier wird auch das Besucherbuch geführt, das neben den Hinweisen zum Friedhof auch Angaben zum Besucher erwartet. Wir verzichten auf den Schlüssel und setzen unseren Rundgang außen um das Gelände herum fort. Links vom Eingang liegt der jüngere Teil des Friedhofs aus dem 19./20. Jahrhundert, unschwer an den weniger verwitterten Grabsteinen zu erkennen. Ein Gefallenendenkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges ist ebenfalls vorhanden.

Bereits vor und während der NS-Zeit wurde der Friedhof mehrfach geschändet (Zeitungsartikel belegen das Jahr 1929, 1932, 1936). Bei Novemberpogrom 1938 wurde das kleine Taharahäuschen gar in Brand gesetzt. 1950 wurde es endgültig abgebrochen. Der Waschstein aus dem Taharahaus wurde 1950 als Gedenkstein unfunktioniert und mitten im Gelände aufgestellt. 1981 wurde allerdings auch dieser zerstört. 1983 ist ein neuer Gedenkstein zur Erinnerung an die in der NS-Zeit umgekommenen Juden aus Rödelsee und Umgebung aufgestellt worden.

Geschichtlicher Abriss

1432 und 1526         Erste Erwähnungen des Friedhofs
1563                         Wilhelm Moritz von Heßberg bewilligt Friedhof ,,am Steig". (Erste urkundliche Erwähnung)
1602                         Friedrich Albert von Heßberg bewilligt den Bau einer Mauer und eines Leichenhauses für die rituelle Leichenwäsche.
1614                         Erweiterung des Friedhofs
19. Jhd.                    Erneute Erweiterung
um 1920                   Anlage eines Ehrenmals für jüdische Gefallene des Friedhofsbezirks
1929/1932/1936       Friedhofsschändungen
10.11.1938               SS-Leute stecken die Leichenhalle in Brand
1939                         Grabsteine werden umgestoßen und zerstört
1942                         Schließung des Friedhofs
1945                         Instandsetzungsarbeiten an Steinen und an der Mauer durch ehemals aktive Nationalsozialisten.
1950                         Abriss der Ruine des Leichenhauses. Der Waschstein wird mit einer Inschrift versehen und als Gedenkstein aufgestellt.
1981                         Unbekannte zerstörten den Gedenkstein.

Presseverlautbarungen aus dem 19. Jahrhundert

Der Bau einer neuen Friedhofshalle und die Renovierung des alten Taharahauses (1921)

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1921:

"Kitzingen, 15. August (1921). Auf dem laut Rentamtskataster 'seit urdenklichen Zeiten' bestehenden israelitischen Zentralfriedhofe in Rödelsee wurde es bisher als großer Missstand angesehen, dass bei Beerdigungen die üblichen Gebete und Nachrufe unter freiem Himmel stattfinden mussten; ebenso war das vielleicht mehrere hundert Jahre alte Häuschen, in welchem die rituellen Waschungen stattfinden, in einem sehr baufälligen Zustande. Durch eine sehr namhafte, großherzige Spende des Herrn Julius Klugmann aus New York und seiner Gattin Fränzi, welch ersterer aus dem zum Friedhofbezirke gehörigen Wiesenbronn stammt, war es möglich, einen zeitgemäßen, stattlichen Bau zu errichten, sowie das alte Häuschen gründlich zu renovieren. Die edlen Stifter haben sich ein großes Verdienst erworben und wurden durch eine an dem Gebäude angebrachte Erinnerungstafel deren Namen für alle Zeiten verewigt."

Berichte von der ersten Friedhofschändung im November 1929

Friedhofsschändung in Rödelsee (Quelle: CV-Zeitung vom 8.11.1929). In der Nacht vom 3. zum 4. November wurden auf dem israelitischen Bezirksfriedhof in Rödelsee bei Kitzingen elf Grabsteine umgeworfen und acht von ihnen in vandalischer Weise zertrümmert. Unter den vollständig zerstörten befindet sich auch das Grabdenkmal des Rabbiners Thalheimer aus Mainbernheim. Zu den geschändeten Gräbern gehören fünf Kindergräber. Die Fußspuren zeigen nach Mainbernheim. Da dort kürzlich eine rechtsradikale Versammlung abgehalten wurde, liegt die Vermutung nahe, dass die Tat eine Frucht dieser Hetze ist. Die Nachforschungen sind sofort energisch aufgenommen worden. Die Friedhofsverwaltung hat für die Ergreifung der Schuldigen 500 Mark Belohnung ausgesetzt.

Kitzingen (Quelle: Bayerische Israelitische Gemeindezeitung vom 15.11.1929).

judische friedhof iphofenEin verbrecherischer Akt, geboren aus dem Sumpf von Rohheit und Gemeinheit, wurde auf dem israelitischen Bezirksfriedhof Rödelsee bei Kitzingen verübt. In der Nacht vom 3. auf den 4. November (1929) wurden von Verbrecherhand 11 Grabsteine umgeworfen und acht von ihnen in vandalischer Weise zertrümmert. Fünf Steine standen auf Kindergräbern, sechs auf Gräbern von Erwachsenen. Unter den zertrümmerten Steinen befindet sich auch das Grabdenkmal des vor Jahrzehnten verstorbenen in Mainbernheim amtierenden Rabbiners Thalheimer. Es ist schon das zweitemal, dass verrohte Burschen diesen altehrwürdigen, vor Jahrhunderten angelegten Friedhof geschändet haben. Auch Einbrücke sind mehrfach verübt worden. Man fragt sich, wie es möglich ist, dass die Entartung und Verwilderung der Sitten einen solchen Grab erreicht hat. Das sind die Folgen der Verletzung und Aufpeitschung aller niedrigen Triebe, die von völkischer Seite ausgehen. Unter der Einwirkung solcher Einflüsse in den Tätern das Gefühl der Pietät vor den Toten, das selbst den primitiven Völkern eigen ist, verloren gegangen. Man sollte nicht glauben, dass eine solche Kulturschande in einem Kulturstaates möglich ist. Wie lange noch will man die Verhetzung, die solche Früchte zeitigt und dadurch das Ansehen Deutschlands schändet, dulden? Auf die Ergreifung der Täten setzt die Friedhofverwaltung eine Belohnung von RM 500.- aus. Anzeige ist erstattet, und die Nachforschungen werden mit aller Energie unternommen, sodass zu hoffen ist, dass die Verbrecher gefasst und der verdienten Strafe zugeführt werden können.

Michael Schneeberger und Christian Reuther schrieben ein Buch über den Rödelseer Friedhof: "Nichts mehr zu sagen und nichts zu beweinen. Ein jüdischer Friedhof in Deutschland." DM 36,00, Edition Hentrich

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