Drehorgeln und Laierkästen auf Naumburger Weinfest

Drehorgeln und Laierkastenspieler auf Naumburger Weinfest

Wer kennt sie noch, die Drehorgeln, auch Leierkästen genannt, die früher durch so manche Stadt geschoben und dann an einem belebten Standort gespielt wurde, sehr zur Freude vieler Passanten.

Die Spieler dieses mechanisches Musikinstruments Drehorgel, volkstümlich auch Laierkastenmann genannt, betätigen eine Kurbel, die ein Steuersystem im Innern des Instrumentes in Bewegung setzt, sodass die Orgelpfeifen das auf einer Orgelwalze, auf einem Papierstreifen, einem Faltkarton oder in einer Midi-Datei gespeicherte Musikstück abspielt. An einen einzelnen Interpreten dieser Musikgattung können sich sicherlich noch zahlreiche Leser erinnern, jetzt gab es zum Weinfest in Naumburg es ein regelrechtes Großtreffen zahlreicher Leierkastenspieler, zunächst auf verschiedene Standorte verteilt, dann zu zwei Konzerten sich versammelnd.

Weinfest, Drehorgelfest und Töpfermarkt Naumburg

drehorgel naumburg 01Immer am letzten Wochenende im August feiert Naumburg sein Weinfest, in diesem Jahr fand es vom 26. bis 28. August statt. Ein umfangreiches und vielfältiges Programm, nicht nur für die Freunde der edlen Tropfen, erwartete wie immer die Besucher. Mit dem Töpfermarkt, dem Drehorgelfest und der Weinkultur ist für abwechslungsreiche Unterhaltung bei Jung und Alt gesorgt.

Eine feste Größe und nicht mehr wegzudenken ist das Drehorgelfest am Samstag, bei dem Drehorgelspieler aus ganz Deutschland die Stadt mit ihrer Musik beleben. Eröffnet wird das Fest um 10.30 Uhr auf dem Holzmarkt. Höhepunkte sind das Konzert in der Stadtkirche St. Wenzel um 16.00 Uhr und das Abschlusskonzert gegen 17.30 Uhr vor dem Stadtmuseum „Hohe Lilie“. Anschließend kann man dort das ganze Wochenende Saale-Unstrut-Weinspezialitäten, Geselligkeit und ein buntes Musik- und Unterhaltungsprogramm genießen.

Eine Tradition aus dem 18. Jahrhundert – die Drehorgel

drehorgel naumburg 02Nachweislich seit Beginn des 18. Jahrhunderts ist die Drehorgel in allen Ländern Europas als Instrument der Straßenmusiker und Gaukler, aber auch – namentlich in England und Frankreich – als Kirchen- und Saloninstrument bekannt. Bänkelsänger benutzten ebenfalls eine Drehorgel. Viele Drehorgelspieler platzieren einen Plüsch-Affen auf ihrem Instrument. Dies soll an die Zeit erinnern, als umherziehende Musikanten oft von einem Kapuzineraffen oder Rhesusaffen begleitet wurden. Das Äffchen war eine zusätzliche Attraktion – besonders für die Kinder – und hatte meist die Aufgabe, Münzen bei den Umstehenden einzusammeln.

Die Drehorgeln wurden anfänglich von Orgelwerkstätten gebaut, später entstanden Manufakturen, die sich nur um die „kleinen Schwestern“ des Kirchenmusikinstruments kümmerten.

Drehorgeltradition gibt es in zahlreichen Ländern

drehorgel naumburg 03Eine Variante der Drehorgel war die griechische Laterna, die im 19. Jahrhundert und bis Anfang des 20. Jahrhunderts von Yiftoi (Roma-Musikern) gespielt wurde. Die Yiftoi schlugen zur Begleitung die Rahmentrommel mit dem Schellenkranz Daira. Die Alleinunterhalter mit Laterna traten besonders in den Hafenstädten der Levante auf Marktplätzen auf, manchmal in Begleitung von Frau oder Tochter, die als Tänzerin agierten, oder sie führten einen Tanzbären mit sich.

In Frankreich heißt das Musikinstrument Orgue de Barbarie, was auf den ersten bekannten Hersteller zurückgeführt wird: der Italiener Giovanni Barberi aus Modena führte diese kleine transportable Orgel 1702 erstmals vor.

Heute durchaus moderne Technik in der Drehorgel

drehorgel naumburg 05Der Aufbau der Drehorgel entspricht im Prinzip einer stationären Pfeifenorgel. Sie besteht aus einem Gehäuse, in dem das Pfeifenwerk, das Balgwerk, die Windlade und die Spieleinrichtung untergebracht sind. Mit Hilfe einer Kurbel oder eines Schwungrades wird über eine Pleuelstange der mit Leder bezogene Schöpfbalg betätigt, der den Wind erzeugt. Der Wind wird in einem Magazinbalg gespeichert, beruhigt und mit Federkraft auf einen konstanten Druck gebracht. Auch Wasserkraft wurde gelegentlich zum Betreiben größerer Drehorgeln genutzt (z. B. Schloss Hellbrunn, Villa d’Este und Wasserorgel Wilhelmshöhe).

Über der Windlade, die eine Vielzahl von Ventilen enthält, steht das Pfeifenwerk. Jedem Ventil ist ein Ton (eine Pfeife oder mehrere Pfeifen unterschiedlicher Bauart) zugeordnet. Die Zahl der Töne kann bei Drehorgeln unterschiedlich sein. Diese Ventile werden durch die Spieleinrichtung angesteuert. Dies kann pneumatisch, mechanisch oder elektromagnetisch geschehen.

drehorgel naumburg 06Die Pfeifen sind denen einer Kirchenorgel ähnlich; üblicherweise werden entweder ausschließlich Labialpfeifen oder nur Zungenpfeifen verwendet, da sich dadurch auch beim üblichen Freiluftspiel das ganze Pfeifenwerk nicht allzu sehr in sich verstimmt.

Im Gegensatz zu einer manuell spielbaren Orgel übernimmt ein Programmträger die Ansteuerung der Töne, dieser befindet sich in der Spieleinrichtung. Die älteste Form des Programmträgers ist die Stiftwalze, die seit dem Altertum bekannt ist.

Eine Stiftwalze (meist auswechselbar) kann bis zu zwölf Musikstücke (verbreitet sind sechs bis acht) enthalten.

Die Lauflänge des Musikstückes ist durch den Walzenumfang begrenzt.

drehorgel naumburg 07Anfang des 20. Jahrhunderts haben das Lochband und die Lochkarte die Stiftwalze abgelöst. Seit Beginn der 1980er Jahre sind immer häufiger elektronische Steuerungen in Gebrauch, im Allgemeinen unter Microchip bekannt.

Die Musikstücke werden dabei in proprietären Formaten, neuerdings in der Regel als Midi-Dateien auf Speicherkarten abgelegt. Bei Lochbändern oder Lochkarten (beides austauschbar) sowie elektronischen Steuerungen ist die Spieldauer fast unbegrenzt.

Durch die Drehbewegung der Kurbel wird bei mechanischer oder pneumatischer Steuerung auch der Programmträger bewegt. Stand der Technik für elektronische Steuerungen ist die Steuerung der Wiedergabegeschwindigkeit des Musikstücks durch die Veränderung der Drehgeschwindigkeit der Kurbel.

Musikalisches Können Voraussetzung in der Synchronisation

drehorgel naumburg 08Einfacheren elektronischen Steuerungen fehlt diese Möglichkeit – die Abspielgeschwindigkeit ist immer gleich, egal ob die Kurbel langsam oder schnell bewegt wird. Elektronisch gesteuerte Drehorgeln können über Funk oder per Kabel sogar synchronisiert werden. Dabei spielen alle Orgeln entweder dieselben Noten des Musikstückes, oder sie übernehmen einzelne Teile einer Art Orchesterpartitur, wie es teilweise in Naumburg gezeigt wurde. Darüber entscheidet die Kunst des Arrangeurs oder Programmierers. Die Wiedergabe erfordert eigentlich kein musikalisches Können des Orgeldrehers. Dagegen setzt das Synchronspiel mit zwei oder mehreren lochbandgesteuerten Drehorgeln des gleichen Bautyps Übung und Können gepaart mit Musikalität und Rhythmusgefühl voraus, noch dazu sind einige Drehorgeln mit zusätzlichen Rhythmusinstrumenten ausgestattet.

Wenn es dann, wie in Naumburg der Fall, zu einem Zusammentreffen von 20 und mehr Drehorgeln kommt, braucht es einen Koordinator, der sein Handwerk wirklich versteht. Die Traube von Menschen, die sich zu diesen beiden Konzerten um die im Kreis aufgestellten Drehorgeln versammelt hatte, war schon erstaunlich und musikalisch von höchster Qualität, halt ein besonderes Erlebnis.

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