Vor 10 Jahren - Erster "Atheismus Verein" der Türkei gegründet

Erster Atheismus Verein

Ein Atheist ist jemand, der nicht an Gott glaubt. Er ist nicht unbedingt jemand, der glaubt, es gäbe keinen Gott.

Nach einem landläufigen Vorurteil  allerdings ist ein Atheist ein Mensch, der glaubt, dass es keinen Gott gibt. Diese Haltung bezeichnet man in der Wissenschaft als starken  Atheismus - sie wird ziemlich selten vertreten. Eine Position, bei der nur einfach der Glauben an Gott fehlt, nennt man schwachen Atheismus. Am vergangenen Wochenende gingen türkische Atheisten in Istanbul an die Öffentlichkeit und gaben die Gründung ihres "Initiative Atheismus Vereins" bekannt. Aus einer kleinen Gruppe von Atheisten wurde so ein eingetragener Verein:

"Als Ergebnis unserer langen Bemühungen wurde unser Zusammenschluss bestätigt und der Verein offiziell gegründet. Nun wird kein Atheist bei Gericht oder auf der Straße mehr auf sich alleine gestellt sein. In unserer Vereinszentrale in Kadiköy freuen wir uns, Euch zum Teetrinken oder Weinschneckenessen zu begrüßen", so hieß es in einer ersten Stellungnahme.

Warum ist die Gründung eines solchen Vereins in der Türkei von so großer Bedeutung? Bedingt durch manch fragwürdige Artikel des türkischen Strafgesetzes wurden bekennende Atheisten wie Sevan Sisanyan und Fazil Say vor nicht allzu langer Zeit mit manchmal denkwürdigen Prozessen konfrontiert. Auch wird bei der Beantragung von persönlichen Dokumenten wie Ausweis und Reisepass automatisch als Religionszugehörigkeit "Islam" eingetragen. Ohne jegliche Hinterfragung, ob die betreffende Person überhaupt gläubig ist oder dieser Religionsgemeinschaft angehören will.

"Ich bin Atheist" zu sagen bedeutet in der Türkei fast die Beleidigung der Religion

Tolga Inci und Ahmet Balyemez, die die Gründung des Vereins in Bewegung setzten, sprachen im März mit Özgür Caglar von AGOS (erste türkisch-armenische Wochenzeitung der Türkei). Diese Begegnung fassen sie folgendermaßen zusammen:

"Ich bin Atheist" zu sagen bedeutet in der Türkei fast die Beleidigung der Religion. Auch manche Wortwahl des Premierministers wie ‘ein Atheist ist ein Terrorist’ gehören inzwischen zum Alltag der Türkei. Für uns Atheisten ist es nun an der Zeit zu sagen "Wir sind auch hier!". Als eine Gruppe von Atheisten kamen wir zunächst über das Internet zusammen. Wir dachten uns, dass, wenn jemand als Atheist in die Bedrängnis gerät, sollte es eine physische Tür geben, an der er/sie anklopfen kann, um dort juristische Unterstützung zu bekommen.

Mit unserem Motto "Weder vor Gericht noch auf der Straße soll sich ein Atheist allein fühlen“, sind wir gestartet. (…) Wenn wir uns die Gerichtsverfahren gegen Atheisten anschauen, dann sehen wir die Wirklichkeit! (…) Wir gehören keiner Ideologie an. Denn dem Atheismus wollen wir uns nicht mit einer Ideologie, sondern wissenschaftlich annähern."

Atheisten werden oft als Gottlose  bezeichnet, meist mit dem Vorwurf, ein Atheist habe auch keine Moral. Das ist aber völlig falsch - eine Haltung, bei der die Moral abgelehnt wird, bezeichnet man als Nihilismus . Oder als Amoralismus. Ein Atheist kann, muss aber nicht Nihilist oder Amoralist sein . Auch die meisten Atheisten folgen einer Moral, nur dass sich ein Atheist zur Begründung  seiner Moral nicht auf Gott beruft .

Warum sollte man denn nicht daran glauben, dass ein Gott existiert? Die meisten Theisten halten es für völlig legitim, zu glauben, dass es Zeus oder Thor oder Odin (oder einen der paar tausend anderen Götter des Glaubens aus der Vergangenheit, nicht gibt. Wie kommen sie dazu? Wenn es nicht richtig wäre, an die Nichtexistenz eines Gottes zu glauben, dann dürfte auch der Theist die Existenz von Zeus und anderen Göttern nicht leugnen (bestreiten). Theisten tun das aber im Allgemeinen, und Christen oder Muslime im Besonderen. Sie sind, was andere Götter angeht, starke Atheisten, zumindest glauben sie nicht an andere Götter. Ihren Unglauben halten sie für ihr selbstverständliches Recht bzw. für gerechtfertigt. Darin muss man ihnen zustimmen. Aber es bedeutet auch, dass jeder das Recht hat, für keinen Gott eine Ausnahme zu machen, statt für einen bestimmten eine machen zu müssen.

»Wer nicht vernünftig denken kann, ist ein Narr. Wer nicht vernünftig denken will, ist ein Frömmler. Wer sich nicht traut, vernünftig zu denken, ist ein Sklave.«

Diesen Satz prägte einst Andrew Carnegie. Ein wenig bekannter und doch so treffender Ausspruch eines Mannes, der als Sohn eines Webers in die Fremde zog, zu Reichtum kam und sein Vermögen an Bedürftige und für Projekte im Bereich der Allgemeinbildung ausgab, da er der Auffassung war, Geld soll denen helfen, die es brauchen. Ein Musterbeispiel eines religiösen, menschlichen Daseins, weit weg von Raffgier und Nutzung von Macht-Privilegien um die eigenen Taschen zu füllen.

Kontaktdaten:

  • Ateizm Derneği
  • Osmanağa Mahallesi, Çuhadarağa Sokak,
  • Galerium İş Merkezi, No:23/40, Kat:1,
  • Kadıköy / İSTANBUL
  • www.ateizmdernegi.org

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