Das türkische Erbrecht - Geltendes IPR-Recht

Das türkische Erbrecht

Das deutsche Internationale Privatrecht legt fest, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Heimatrecht des Erblassers zur Zeit seines Todes unterliegt. Der Nachlass, unabhängig ob beweglich oder unbeweglich, unterliegt grundsätzlich diesem Erbstatut (Grundsatz der Nachlasseinheit).

Da staatsvertragliche Regelungen Vorrang vor den Internationalem Privatrecht besitzen ist für Deutschland und die Türkei das Nachlassabkommen, das in der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrag aus dem Jahre 1929 zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik geregelt ist, zu beachten.

Das Nachlassabkommen durchbricht den im deutschen Recht verankerten Grundsatz der Nachlasseinheit und es kommt zu einer Nachlassspaltung. Die Rechtsnachfolge von Todes wegen bezüglich beweglicher Güter (z.B. Guthaben auf Bankkonten) richtet sich nach dem Heimatrecht des Erblassers – also jenem Recht, dem der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Der unbewegliche Nachlass (z.B. Haus, Wohnung, Grundstück) wird hingegen nach dem Recht des Belegenheitsortes der Immobilie beurteilt. Die Erbfolge bezüglich eines in der Türkei belegenen Immobiliarvermögens richtet sich somit nach türkischem Recht.

I. Materielles türkisches Erbrecht

1. Gesetzliche Erbfolge im türkischen Recht

Die gesetzliche Erbfolge im türkischen Erbrecht ist mit dem deutschen Recht vergleichbar.

2. Ehegattenerbrecht in der Türkei

Neben den Erben der ersten Ordnung (Kindern) erbt der Ehegatte ein Viertel, neben Erben der zweiten Ordnung (Eltern) die Hälfte. Unter Anrechnung auf seinen Errungenschaftsteil bei dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung (vergleichbar mit dem Zugewinnanteil bei der Zugewinngemeinschaft), kann dem überlebenden Ehegatten ein Nießbrauch/Wohnrecht an der Familienwohnung und dem Hausrat eingeräumt werden.

3. Testament in der Türkei

Das türkische Recht kennt das eigenhändige, das öffentliche (notarielle) und das Nottestament. Das eigenhändige Testament ist vom Erblasser zu schreiben, zu unterschreiben und mit Ort (Soll) und Datum (Muss) zu versehen. Gemeinschaftliche Testamente sind nicht zulässig.

4. Erbeinsetzung in der Türkei

Erbeinsetzungen, Teilungsanordnungen und Vermächtnisse sind ebenso möglich, wie die Regelung einer Vor- und Nacherbschaft und ebenso zulässig ist die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers.

5. Pflichtteilsberechtigte

Pflichtteilsberechtigte sind der Ehegatte, die Kinder, die Eltern des Verstorbenen, aber auch die Geschwister. Der Pflichtteilsanspruch ist im Gegensatz zum deutschen Erbrecht, wo der Pflichtteilsanspruch als schuldrechtlicher Anspruch gegen die übrigen Erben konzipiert ist, als Noterbrecht ausgestaltet. Der Pflichtteilsberechtigte ist in Höhe seines Pflichtteils an der Erbschaft beteiligt. Die Pflichtteilsquote beträgt für einen Abkömmling ½, für jeden Elternteil ¼ und für jeden Geschwisterteil 1/8. Neben den gesetzlichen Erben erhält der Ehegatte das gesamte Erbteil und in den übrigen Fällen ¾ des gesetzlichen Erbteils.

II. Erbschein in der Türkei

Um über ein Erbe verfügen zu können, benötigen Sie sowohl nach deutschem als auch nach türkischem Recht einen Erbschein. Ob Sie einen deutschen oder einen türkischen Erbschein benötigen richtet sich nach den Bestimmungen des Konsularvertrages.

1. Türkischer Erblasser – bewegliches Vermögen in Deutschland

Wenn ein türkischer Staatsangehöriger verstorben ist und in Deutschland ausschließlich bewegliches Vermögen hinterlassen hat, genügt nach § 14 des Nachlassabkommens zum Nachweis des Erbrechtes in Deutschland ein türkischer Erbschein. Dieser türkische Erbschein muss dann, um in Deutschland Geltung zu erlangen, gem. § 17 des Nachlassabkommens durch eine türkische Auslandsvertretung in Deutschland beglaubigt werden. Teilweise wird anstelle einer Beglaubigung auch eine Apostille akzeptiert.

2. Türkischer Erblasser – unbewegliches Vermögen in Deutschland

Wenn ein türkischer Staatsangehöriger verstorben ist und in Deutschland unbewegliches Vermögen hinterlassen hat, benötigen die Erben zum Nachweis ihres Erbrechtes in Deutschland nach § 14 II i.V.m. § 17 des Nachlassabkommens einen deutschen Erbschein. Den Antrag auf Ausstellung des Erbscheins kann der Erbe, wenn er seinen Wohnsitz in Deutschland hat, direkt bei dem zuständigen Amtsgericht/Nachlassgericht am letzten inländischen Wohnsitz des Verstorbenen stellen. Falls die Erben ihren Wohnsitz in der Türkei haben, ist der Antrag bei der für ihren Wohnsitz in der Türkei zuständigen deutschen Auslandsvertretung zu stellen

3. Deutscher Erblasser – Nachlass in Deutschland

Wenn ein deutscher Staatsangehöriger in der Türkei oder in Deutschland verstorben ist und bewegliches oder unbewegliches Vermögen in Deutschland hinterlassen hat, benötigen die Erben zum Nachweis ihres Erbrechtes in Deutschland einen deutschen Erbschein. Falls die Erben ihren Wohnsitz in der Türkei haben, ist der Antrag auf den Erbschein bei der für Ihren Wohnsitz in der Türkei zuständigen deutschen Auslandsvertretung zu stellen. Falls der Erbe seinen Wohnsitz in Deutschland hat, stellt er seinen Antrag direkt bei dem zuständigen Amtsgericht/Nachlassgericht am letzten inländischen Wohnsitz des Verstorbenen.

4. Deutscher Erblasser – unbeweglicher Nachlass in der Türkei

Sofern ein deutscher Staatsangehöriger in der Türkei oder in Deutschland verstirbt und in der Türkei unbewegliches Vermögen hinterlässt, benötigen seine Erben zum Nachweis ihres Erbrechtes in der Türkei einen türkischen Erbschein. Hierzu muss zumindest einer der Erben sich an ein beliebiges türkisches Zivilgericht wenden und einen Antrag auf Ausstellung des Erbscheins stellen.

5. Deutscher Erblasser – beweglicher Nachlass in der Türkei

Wenn ein deutscher Staatsangehöriger in der Türkei oder in Deutschland verstorben ist und bewegliches Vermögen in der Türkei hinterlassen hat, genügt zum Nachweis des Erbrechtes in der Türkei ein deutscher Erbschein. Falls die Erben ihren Wohnsitz in der Türkei haben, ist der Antrag bei der für Ihren Wohnsitz in der Türkei zuständigen deutschen Auslandsvertretung zu stellen. Falls der Erbe seinen Wohnsitz in Deutschland hat, stellt er seinen Antrag direkt bei dem zuständigen Amtsgericht/Nachlassgericht am letzten inländischen Wohnsitz des Verstorbenen. Dieser Erbschein muss dann, um in der Türkei Geltung zu erlangen, gem. § 17 des Nachlassabkommens durch eine deutsche Auslandsvertretung beglaubigt werden. Teilweise wird anstelle einer Beglaubigung auch eine Apostille akzeptiert.

III. Erbenermittlung in der Türkei

Die deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei leisten keine Erbenermittlungen.

Insbesondere werden Erben von verstorbenen türkischen Staatsangehörigen in Deutschland nur mitgeteilt, wenn ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen der deutschen Justizbehörden vorliegt und diese Informationen im Rahmen eines in Deutschland laufenden Gerichtsverfahrens oder für eine durch die deutschen Justizbehörden vorzunehmende Maßnahme benötigt werden.
IV. Erbrecht von Deutschen in der Türkei

Das Erbrecht deutscher Staatsangehöriger nach dem türkischen Zivilgesetzbuch entspricht im Wesentlichen den deutschen Regelungen. Es gibt keine rechtlichen Unterschiede zwischen deutschen und türkischen Erben eines deutschen oder türkischen Verstorbenen.

Auch der Erwerb von Grundeigentum im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge ist uneingeschränkt möglich. Nur bei der gewillkürten Erbfolge gilt eine Beschränkung der Grundstücksgröße auf 2,5 ha (30 ha mit Ausnahmegenehmigung des Ministerrates). Bei bestehenden gesetzlichen Erwerbsverboten muss dieses Grundeigentum jedoch umgehend an türkische Staatsangehörige oder an juristische Personen türkischen Rechts veräußert werden.

Gem. Art. 29 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 gelten die oben genannten Einschränkungen nicht für Personen, die durch Geburt die türkische Staatsangehörigkeit erwarben und sie mit Genehmigung des Ministerrates zwecks Erwerbes einer anderen Staatsangehörigkeit verloren haben, sowie deren gesetzliche Erben. Diese Personen werden hinsichtlich des Erwerbes von Grundeigentum nicht als Ausländer behandelt, sofern sie Inhaber der sogenannten „Pembe kart“ oder „Mavi kart“ sind.

V. Erbschaftssteuer in der Türkei

Türkische Erben unterliegen grundsätzlich unabhängig von ihrem Wohnsitz und dem Belegenheitsort der Immobilie der türkischen Erbschaftssteuer. Ausländer haben ebenfalls unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen die Erbschaft nach türkischem Recht zu versteuern, wenn sie Vermögenswerte in der Türkei erben oder wenn sie Vermögenswerte eines türkischen Staatsangehörigen erben und sie ihren eigenen Wohnsitz in der Türkei haben.

Für Erbschaften in der Türkei gelten die nachfolgend genannten Steuersätze:

Der Freibetrag für Ehegattin oder den Ehegatte beträgt ohne Kinder 292.791,00 TL. Wenn die Kinder mit einem Elternteil gemeinsam sind, beträgt dann der Freibetrag in 2014 pro Person ( Elternteil oder Kinder) 146.306,00 TL.
Bis zu diesem freien Betrag werden keine Erbschaftssteuern bezahlt. Danach sind;
für den Betrag bis 190.000 TL    1%
von 190.000 bis 440.000 TL       3 %
von 440.000 bis 970.000 TL       5%,
von 970.000 bis 1.800.000 TL     7 % und
für den darüber hinaus gehenden Betrag 10%
Erbschaftssteuern zu zahlen.

VI. Schluss

Somit sind die kompliziert erscheinenden grenzüberschreitenden Erbfälle auch für den juristischen Laien verständlich und übersichtlich geregelt.

 

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