Ayvalık an der türkischen „Olivenriviera“

Ayvalık an der türkischen „Olivenriviera“

Von Elke Backert: Es gibt sie noch, die von deutschen Touristen kaum entdeckten ursprünglichen Fleckchen dieser Erde.

Die Region um die Hafenstadt Ayvalık an der Westküste der Türkei, etwa drei Autostunden nördlich von Izmir gelegen, ist so ein Urlaubsziel, an dem die ganze Familie sich wohl fühlen dürfte. Lange sanft ins Wasser der nördlichen Ägäis abfallende Sandstrände, kurze Wege zum Meer, die antiken Stätten von Assos, Pergamon,Troja, Bootsausflüge zu 22 unbewohnten und zu Naturschutzparks erklärten Eilanden sowie zur griechischen Insel Lesbos, die von 1462 bis 1913 zur Türkei gehörte.

Bis 1923 herrschten Griechen in Ayvalık und auf der Insel Alibey, ehemals Cunda geheißen, die heute durch einen Damm mit dem Festland verbunden ist. Nach der Aussiedlung der Griechen wurden die ehemals orthodoxen Kirchen nicht zerstört. Man wandelte sie ganz einfach in Moscheen um, neben denen sich nun ein Minarett gen Himmel reckt. Die Altstadthäuser, auch das ehemalige deutsche und französische Konsulat, zum größten Teil restauriert, zeigen stolz ihre griechische Herkunft in Ayvalık selbst wie auf Alibey. Aus einigen Häusern entstanden schick eingerichtete Pensionen mit fünf bis zehn Zimmern.

Eine der gepflegten Pensionen führt dieDeutsch-Türkin Cigdem Kiray aus Bad Kreuznach mit ihrem Mann. Sie serviert dasFrühstück für ihre Gäste auf der Dachterrasse, Meerblick inklusive. Nur drei Gehminuten sind es zum Hafen, wo die angeblich besten Fischrestaurants derTürkei auf Feinschmecker warten und von wo Oldtimer aus Holz Inseltouren mit Badestopp in malerischen Buchten starten. Vom Hafen kann man auch zu 60 Tauch- und Schnorchelplätzen aufbrechen. Das Meer ist klar und die Unterwasserwelt bunt wie in einem tropischen Aquarium.

Donnerstags ist Markt in Ayvalık, zu dem auch die Einwohner von Lesbos per Fähre anreisen. 30 Euro für die Überfahrt bedeuten offenbar nichts im Vergleich mit den noch immer günstigen Preisen in der Türkei.

Familien mit Kindern sind am besten am langen Strand von Sarimsakli, südlich von Ayvalık, aufgehoben. Hier können sie in den blau leuchtenden Pools der Hotels toben und im seichten sauberen Meerwasser. Jedes Hotelhat seine Besonderheit. Hotel Mare etwa glänzt mit einem Pool auf der Dachterrasse und weitem Blick aufs Ägäische Meer, die Ferienhaus-Anlage Club Ayvalık Beach liegt abgeschieden und idyllisch in einem Pinienwald, das Palm Court Suitenhotel bietet nicht nur reichlich Platz in einem Wohnraum mit offener Kitchenette und zwei Schlafzimmern, die Betreiber stellen auch ihr eigenes Olivenöl her, noch dazu ein fein schmeckendes.

Oliven machen 45 Prozent des Bruttosozialprodukts der Türkei aus. Kein Wunder, dass einen auf dem Weg vomFlughafen İzmir gen Norden Millionen Ölbäume begleiten. Weshalb die Küste liebevoll Olivenriviera genannt wird. Aus 250 Tonnen handgepflückten Oliven produziert Familie Kürsat 40 bis 50 Tonnen Öl. Im Schnitt ergeben fünf Kilo Früchte ein Liter Öl. Verkauft werden aber auch grüne und schwarze Oliven im Glas, Seife aus Olivenöl und Salatbestecke aus dem Holz des Baums. Als Mitnimmsel und Mitbringsel empfehlenswert.

Lebhaft geht es oberhalb der heutigen Stadt Bergama zu, auf der Akropolis, dem Burgberg der antiken StättePergamon. „Ich bin hier, wo bist du?“ ruft ein Hutverkäufer und läutet eine Glocke, um auf seinen Stand aufmerksam zu machen. „Orangensaft, frisch gepresst, ein Euro. Drei kleine Wasser ein Euro bitteschön.“ Am Parkplatz drängeln sich Rundreise- und Ausflugsbusse, und die Händler verstehen ihr Geschäft.

Das unter der Attalidendynastie bedeutende Königreich verfügte nach dem ägyptischen Alexandria über die zweitgrößte Bibliothek der Welt. Gut erhalten sind das steil ansteigende griechische Theater und der Trajan-Tempel. Doch den Zeus und Athena geweihten monumentalen Pergamonaltar, in der Antike eines der Sieben Weltwunder und zwischen 180 und 160 v. Chr. erbaut, kann man, wiedererrichtet, vollständig nur im Museum in Berlin bewundern. Als ob`s die römischen Erbauer der Zisterne geahnt hätten, als sie mitten hinein eine Säule setzten: Bleiben die heute hineingeworfenen Münzen darauf liegen, erfüllt sich jeder insgeheim gehegte Wunsch. Die Zisterne wurde zum Wunschbrunnen. Pergamon hat auch eine Schwesterstadt in Deutschland: Böblingen.

Im Südwesten von Bergama schließt sich das Asklepieion an, in der antiken Welt eines der berühmtesten Sanatorien. Immerhin wird der Gegend heute die gesündeste Luft nachgesagt. Zumindest den zahlreichen Schildkröten im Wasser und an Land scheint es gut zu gehen.

Touristisch wenig bekannt ist die 17 Meter unter der Erde liegende antike Heilstätte in Allianoi. Als Besucher hat man den Eindruck, sie könnte wieder aktiv genutzt werden. Das Becken im letzten Raum enthält 47 Grad heißes Wasser. Wer einen Sprung hinein wagt, kommt verjüngt wieder heraus! So sagt`s die Legende.

Damit der Weg zu den antiken Stätten kurzweilig wird, erzählt der Gästeführer kleine Episoden und von Sitten und Gebräuchen. Sieht man etwa eine grüne Haustür, weiß man, dass der/die Bewohner nach Mekka gepilgert sind. Steht eine leere Flasche vor einem Haus, bedeutet das: Hier wohnt ein Mädchen, alt genug zum Heiraten!

Wer mit ausgewanderten Deutschen sprechen möchte, könnte ins bosnische Dorf Kücükköy (übersetzt „kleines Dorf“) unweit des Badeorts Sarimsakli fahren. Rudi aus Sachsen und seine Frau haben den verträumten Ort entdeckt und leben dort von der Viehzucht. Man muss nur nach Rudi fragen.

Elke Backert

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