Das altfränkische Künstlerdorf Sommerhausen

Sommerhausen Maintor

Nach dem Besuch einer Druckerei in Würzburg befuhren wir die Ausfallstraße entlang des Mains in Richtung Ochsenfurt –Kitzingen.

Wenige Tage zuvor hatten wir uns mit unserer Gastgeberin Brita über den möglichen Besuch des Torturmtheaters in Sommerhausen unterhalten (ohne zunächst exakt zu wissen, wo denn Sommerhausen überhaupt liegt, bzw. was es mit dem Theater auf sich hat), jetzt waren wir plötzlich direkt am Ortsrand. Und wie so oft, ein kurzer Blick auf die Uhr und zum Himmel, Zeit genug bis zum nächsten Termin und wenn auch leicht gräulich, so doch sonnig genug für einige erste Fotos in Sommerhausen. Also flugs auf den gut ausgeschilderten Parkplatz am Rumor-Knechtsturm, die Kamera geschultert und los.

Vom Stadtzentrum Würzburg waren es ziemlich exakt 14 Kilometer und fast immer in Sichtkontakt zum Main, ging es entlang der Weinberge und in der Frühlingssonne erwachenden Grünflächen, die unseren Weg begleiteten. Sehr romantisch zwischen den Weinbergen und dem Tal des Mains gelegen, verhieß die gut erhaltene, mittelalterliche Stadtmauer, die wir direkt am Parkplatz vor uns sahen, eine interessante Altstadt mit engen verwinkelten Gassen und historischen Gebäuden. Wir gingen zunächst außen an der Stadtmauer entlang und wie erwartet, bestätigte sich der Eindruck mit Betreten des Stadtkerns vom Mainufer aus. Interessante mittelalterliche Gebäude mit vielen liebevoll hergerichteten Details der Bewohner ließen unsere Blicke immer wieder umherschweifen.

Gleich am ersten Stadttor, dem sogenannten Maintor, fielen uns die Hochwassermarkierungen am Torbogen auf, die auf die wirklich imposanten Hochwasserstände des Mains in den letzten Jahrzehnten hinwiesen. Es muss fürchterliche Probleme für die Einwohner gegeben haben, denn allein der Wasserstand (im Bild) zeigt mehr als 2 Meter Wasserhöhe im Stadttor an, trotz leicht ansteigender Maingasse hinter dem Tor müssen große Teile Sommerhausens überflutet gewesen sein. Vom Maintor kommend spazieren wir zunächst bis zur Hauptstraße, die als zweite Achse durch die Stadt fast exakt 90° gewinkelt wieder von Stadttor zu Stadttor verläuft. Am Ende der Hauptstraße nach links bildet das bekannte Torturmtheater im Würzburger Tor die Innenstadtgrenze, nach rechts hin ist es das Ochsenfurter Tor.

 

Wir überqueren zunächst die Hauptstraße in Richtung Roter Turm, wobei wir das aus dem 16. Jahrhundert stammende Rathaus passieren wo man im Jahr 1920 einen alten Schrank entdeckte, der Hunderte von Drucken, Büchern und einigen Inkunabeln enthielt. Seit dem 17. Jahrhundert war dieser Schrank mit seiner wertvollen Bibliothek in Vergessenheit geraten. Der Zustand der Bücher war allerdings nach wie vor in Ordnung. Wenig weiter sehen wir im Schaufenster einer kleinen Töpferei eine Frau an der Töpferscheibe werkeln. Sie arbeitet gerade einigen Bechern, neben weiteren handwerklich gefertigten Tongütern, die sie später brennen, glasieren, in ihrem Atelier ausstellen und zum Verkauf anbieten will. Schnell sind wir im Gespräch und sie berichtet vom fast schon traditionell zu nennenden im September stattfindenden Töpfermarkt in Sommerhausen, der als bekanntes Fest für Freunde guter Keramik weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Weiter geht es der Rathausgasse folgend vorbei am Roten Turm, dem Blauen Turm bis zum Torturmtheater am Würzburger Tor.

Im Jahr 1950 richtete der aus Triest stammende Maler, Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner Luigi Malipiero hier in Sommerhausen das bekannte Torturmtheater ein. Als Kind einer baltisch-deutschen Mutter und eines italienischen Vaters wuchs Malipiero zunächst in Wien auf, zog dann mit der Familie nach Berlin und entwickelte dort seine Talente autodidaktisch. Zunächst als Maler mit stets geringem Einkommen, ging Malipiero aufgrund des Drucks des Nazi Regimes an das Nordmark-Theater in Schleswig Holstein, wo er ab 1934 als zweiter Bühnenbildner für 65,- Reichsmark im Monat arbeitete. Aufgrund seiner Phantasie und seines Fleißes konnte er seine fehlenden Ausbildung zum Bühnenbildner ausgleichen und schon bald wurde er mit dem Erstellen der Bühnenbilder und der Kostüme der wichtigen Inszenierungen betraut. Zwischen 1940 und 1943 arbeitete Malipiero an der Staatsoper Berlin und während einiger Gastspiele auch nach Würzburg. Er hatte Balletszenen entworfen und ausgestattet, die bei den Mozartfestspielen Würzburg genutzt wurden. Hier sollte seine zukünftige Heimat sein, so entschied Malipiero eines Tages. Aufgrund des Kriegschaos gab es zunächst weder Wohnraum noch Beschäftigung für ihn. Der gute Rat seiner Freunde brachte Malipiero dann nach Sommerhausen, wo er sich 1944 niederließ.

Er organisierte mit großem Erfolg erste Kulturtage auf einer provisorisch eingerichteten Bühne, die im Jahr 1950 zur Gründung des Torturmtheaters führte. In einem Raum mit maximal 50 Plätzen für die Zuschauer, einer winzigen Bühne, wirkte Malipiero als Schauspieler, Regisseur, Bühnenbildner und Intendant zugleich, arbeitete an Inszenierungen von Goethes Faust und Shakespeares Sturm und Sommernachtstraum. Schnell wurde eines der kleinsten Theater Deutschlands bekannt. Als dann vor der Hintergrundkulisse von Sommerhausen und Marktbreit auch noch einige Heimatfilme, allen voran der Film „Vater sein dagegen sehr“ mit Marianne Koch und Heinz Rühmann, gedreht wurden, war auch der Ort Sommerhausen selbst in aller Munde.

Wir setzen unseren Rundgang fort, der uns an der Kirche vorbei bis zum Pastoriusgang gegenüber dem Schloss führt. Wir finden hier an der Straße auch das örtliche Verkehrs- und Informationsbüro des Fremdenverkehrsvereins, das aber heute leider geschlossen hat. Im Pastoriusgang entdecken wir das alte Eichamtsgebäude, in dem sich sowohl die Wohnung als auch die Diensträume des hochherrschaftlichen Beamten befanden, der für die Eichung aller im Ort gefertigten Gefäße, Kannen und Fässer zuständig war.

Uns läuft jetzt nach den ersten interessanten Gesprächen und Fotos doch die Zeit ein wenig davon, so dass wir beschließen, am folgenden Tag noch einmal nach Sommerhausen zurück zu kommen zumal dann auch das Fremdenverkehrsbüro wieder geöffnet sein soll.

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