Pinar Selek - Kriechend zum Mann werden

Pinar Selek als kritische Buchautorin

Pinar Selek, die 1971 in Istanbul geborenen türkische Schriftstellerin und Soziologin setzt sich in ihren Publikationen und Veröffentlichungen hauptsächlich mit den Problemen und Sorgen von Minderheiten auseinander.

Insbesondere arbeitet sie für Gleichstellung und Gleichbehandlung von Minderheiten in rechtlicher Hinsicht innerhalb der Bevölkerung. Pinar Selek ist die Tochter des bekannten linken Rechtsanwalts Alp Selek. Sie besuchte das Französische Gymnasium in Istanbul, studierte Soziologie in Ankara und Paris.

Frau Pinar Selek veröffentlichte eine Studie über die Gewalt an Transsexuellen und Transvestiten in Istanbul. Sie übersetzte ein Buch des Zapatisten Marcos ins Türkische. Sie ist Mitbegründerin der Frauenkooperative Amargi und organisierte nach ihrer Haftentlassung Frauentreffen für einen Dialog und Austausch in kurdischen Städten. Des Weiteren engagierte sie sich für staatliche Gewaltopfer. Sie schreibt außerdem für türkische und kurdische Zeitungen.

Pinar Selek hat bisher vier Bücher veröffentlicht. Im Jahr 2004 erschien "Barismadik" (übersetzt: Wir haben keinen Frieden geschlossen), in dem sie die Friedensbewegung und den Militarismus in der Türkei analysiert. Ihr letztes Buch "Sürüne sürüne erkek olmak" ("Kriechend zum Mann werden") wird derzeit ins Deutsche übersetzt und soll im Januar im Orlanda Verlag erscheinen. Darin beschreibt sie das türkische Militär als eine Art Zwangsinitiationsstation zur Konstruktion männlicher Identität, die es unter allen Umständen zu beweisen, zu zeigen und zu verteidigen gilt.

Bekannt geworden ist Pinar Selek mit Recherchen und Arbeiten zu diskriminierten Gruppen wie Transsexuellen, Straßenkindern und Prostituierten. 1998 geriet sie unter Terrorverdacht und kämpft seit dieser Zeit gegen die Vorwürfe an, obwohl sie zweimal freigesprochen wurde: 1998 wurde sie in der Türkei – mit dem Vorwurf der Propagandaarbeit für die PKK und der Beteiligung an einem Bombenanschlag auf dem Ägyptischen Basar in Istanbul – inhaftiert und dort auch schwer misshandelt (Folterung durch Strappado, Elektroschocks und Stromschläge am Kopf). Aktuell wohnt Selek in Berlin, während der Prozess in der Türkei wieder aufgerollt wird. Sie wird u. a. von der Heinrich-Böll-Stiftung und von PEN-Deutschland unterstützt.

Das sind doch alles ramponierte Wesen / Von Karen Krüger

Der Männlichkeitskult ist eine Geißel der türkischen Gesellschaft. Über seine Verheerungen hat die Soziologin Pinar Selek ein Buch geschrieben - und musste das Land über Nacht verlassen.

In die Küche hat Pinar Selek ein Poster mit einer Stadtansicht von Istanbul gehängt - „Ich habe Heimweh“, sagt sie -, daneben kleben kleine Merkzettel mit deutschen Vokabeln an den Schränken: Frühstück - kahvalti, Küche - mutfak, Schere - makas. Die Wände ihres Arbeitsraums bedecken Fotos von Freunden und Verwandten.

Pinar Selek stellt vor: Da ist ein Bild ihres Vaters, eines in der Türkei bekannten linken Rechtsanwalts; da ist ihre Schwester, die nur deshalb Rechtswissenschaften studierte, damit sie der damals im Gefängnis sitzenden Pinar juristisch beistehen kann; da ist ein Foto ihres engen Freundes Hrant Dink, des armenisch-türkischen Journalisten, der im Jahr 2007 in Istanbul auf offener Straße erschossen wurde.

Der Mord war für Pinar Selek der Anlass für ein Buch, mit dem die Soziologin und Feministin den türkischen Staat an seinem empfindlichsten Punkt verwundete: dem Kult um Männlichkeit und dessen ewige Schule, das Militär. 390.000 Soldaten zählt das türkische Heer. Es ist die fünftgrößte Armee der Welt. Unter dem Titel „Zum Mann gehätschelt, zum Mann gedrillt - Männliche Identitäten“ (Orlanda Buchverlag) liegt das Buch nun auch auf Deutsch vor.

„Im Fernsehen sah ich Hrants Mörder. Er blickte in die Kamera und versuchte seinem Gesicht einen harten Ausdruck zu verleihen. Er hob die Arme und brüllte: ,Sieh dich vor, und sei bloß vernünftig!'“, sagt Pinar Selek. Sie kannte den jungen Mann nicht. Und doch war er ihr zutiefst vertraut: seine männliche Gebärde, seine Worte, das drohend verzerrte Gesicht, sein durch Männlichkeit legitimierter Anspruch, sich mit Gewalt über alles und jeden zu stellen. Diese Männer trifft man zu Tausenden in der Türkei. Sie begehen Ehrenmorde, üben Blutrache, sprechen gegenüber ihren Töchtern und Söhnen Kaskaden von Verboten aus. Sie schreiben ihren Freundinnen und Ehefrauen vor, wie sie sich zu benehmen und aufzutreten haben. Sie sind jederzeit bereit, sich zu schlagen und zu streiten. Pinar Selek wollte herausfinden, unter welchen Umständen diese Männer wurden, wie sie sind.

Pinar Selek ist nicht freiwillig nach Deutschland gekommen. Sie kam als Flüchtende, nun ist sie eine „Writers in Exile“-Stipendiatin der deutschen Sektion des Schriftstellerverbandes PEN, sitzt auf dem Balkon der Berliner Wohnung, die man ihr zur Verfügung gestellt hat und rührt in ihrem schwarzen Tee. Hätte sich eine andere Autorin des Themas türkische Männlichkeit und Militär angenommen, dann hätte die türkische Regierung wahrscheinlich mit Zensur reagiert oder versucht, das betreffende Verlagshaus mit juristischen Strafen in die Knie zu zwingen. Vielleicht hätte man die Verfasserin auch wegen „Distanzierung des Volkes vom Militär“ angeklagt. Doch an die Bücher Pinar Seleks, die in der Türkei eine Ikone der Demokratiebewegung ist und deren Frauenorganisation Amargi internationales Ansehen genießt, traut sich die Regierung nicht heran. Zudem ist das Buch, für das sie achtundfünfzig Wehrdienstleistende interviewte, in der Türkei ein durchschlagender Erfolg. Es wird dort in selbstorganisierten Studentenseminaren und bei großen Konferenzen diskutiert und geht gerade in die fünfte Auflage.

Deshalb wählten die türkischen Behörden einen anderen Weg, um Pinar Selek zum Schweigen zu bringen: Ende 2009 hat die neunte Strafkammer des Obersten Kassationsgerichts - jene Kammer, die auch die Verurteilung Hrant Dinks wegen „Verunglimpfung des Türkentums“ gebilligt hatte - in Ankara einen alten Fall wieder aufgerollt. Pinar Selek drohen sechsunddreißig Jahren verschärfter Einzelhaft. Als dies bekannt wurde, verließ die Autorin über Nacht das Land. Ihre Schwester, die inzwischen Rechtsanwältin ist, hat ihre Verteidigung übernommen. Sie haben auch Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht.

Elektroschocks auf die Kopfhaut

Worum geht es in dem alten Fall? Die Geschichte begann Ende der neunziger Jahre. Damals befragte Pinar Selek für eine Studie in ganz Europa Mitglieder der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK über deren Verhältnis zur Gewalt. Die Arbeit sollte als Buch erscheinen; die Namen ihrer Interviewpartner hatte Pinar Selek anonymisiert. Natürlich interessierte sich die türkische Polizei für das Projekt. Natürlich wollte sie die wahren Identitäten der PKK-Mitglieder wissen. Natürlich gab Pinar Selek sie nicht preis. Die damals Siebenundzwanzigjährige wurde verhaftet und kam in Untersuchungshaft.

Pinar Selek springt auf und zeigt, wie man sie an die Mauer fesselte: die Arme nach hinten über den Rücken gestreckt, so dass der Rücken nach vorne fällt und irgendwann die Schultern auskugeln. „Das Schlimmste waren die Elektroschocks. Man gab sie mir auf die Kopfhaut“, sagt sie. Ihre Zelle war ein Raum, den sie mit siebzig Frauen teilte. Nach einer Woche erfuhr sie aus dem Fernsehen, womit die Polizei ihre Festnahme begründete. Sie habe im Auftrag der PKK eine Bombe auf dem ägyptischen Basar in Istanbul gezündet, hieß es in den landesweiten Abendnachrichten.

Zwischen Machtverheißung und Machtlosigkeit

Tatsächlich war es dort am 9. Juli 1998 zu einer Explosion gekommen, bei der sieben Menschen getötet worden waren. Nach zweieinhalb Jahren kam das Gericht jedoch zu dem Schluss, dass keine Bombe, sondern eine defekte Gasflasche die Katastrophe ausgelöst hatte. Pinar Selek kam frei. Hunderte von Menschen, Politiker und Intellektuelle aller Couleur, Transsexuelle, Prostituierte und Straßenkinder, denen sie zuvor ihr Engagement gewidmet hatte, nahmen sie vor dem Gefängnistor in Empfang. Im Jahr 2006 endete das Verfahren mit einem Freispruch. Noch Jahre später aber wurde sie am Telefon von anonymen Anrufern bedroht. „Es waren eigentlich immer Männer“, sagt Pinar Selek.

Vier Etappen, legt die Soziologin in ihrem Buch dar, müssen Männer in der Türkei überwinden, um zum Mann zu werden: Beschneidung, Wehrdienst, Beruf und schließlich die Eheschließung als Endstation. Der Militärdienst ist dabei eine Erfahrung von Maßregelung, Erduldung und Gewalt. Das erlebte Hin und Her zwischen Machtverheißung und Machtlosigkeit verwandele die Rekruten in schizophrene Wesen, die zwar zerbrechlich sind, „aber diese Zerbrechlichkeit mit verschiedenen Mauern, Masken und Machtdemonstrationen zu verheimlichen“ suchen. „Man ergibt sich“ - so wird der Eintritt in die Armee im Türkischen wörtlich genannt. Glaubt man Selek, dann erholen sich die Männer auch nach Ende des Wehrdienstes nicht mehr von dieser Erfahrung. Der türkische Mann verlasse die Kaserne als „ramponiertes Wesen“, dass das Erlebte in die Gesellschaft trägt. Mit dem von ihm beanspruchten Recht, als Familienvater seine Kinder zu schlagen und zu lieben, wird letztlich nur imitiert, was der Übervater Staat ihm vorgelebt hat.

Geschlechterverhältnis wie in der Türkei der fünfziger Jahre

Pinar Selek seziert, was um sie herum geschieht, besonders das Verhältnis der Geschlechter. Wie nimmt sie die Türken in Deutschland wahr? Die Soziologin überlegt einen Moment: „Viele Türken, die hier leben, zelebrieren ein Geschlechterverhältnis, das in der Türkei in den fünfziger Jahren herrschte. Ganz so, als habe man sie vor ihrer Abreise in eine Kühltruhe gesteckt, in der trotz des anderen Raumklimas ein bestimmter Wertekanon unbeschadet überstehen konnte.“

Eine Antwort darauf, ob hier zu beobachtende patriarchale Muster ebenfalls auf die unter Umständen vor Generationen erfahrene Sozialisation während des türkischen Wehrdiensts zurückzuführen sind, ob Deutschtürken diese Muster aus türkischen Kasernen mit nach Deutschland bringen, auch wenn viele von ihnen nur einen verkürzten Wehrdienst leisten, möchte Pinar Selek nicht geben. Dazu brauche es eine richtige Studie. Aber vorstellbar, sagt sie, sei das schon.

Aufruf zur Unterstützung von Pinar Selek

Die türkische Schriftstellerin und studierte Soziologin Pinar Selek, derzeit Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des deutschen P.E.N.-Zentrums, setzt sich leidenschaftlich sowohl für die Interessen sozial benachteiligter Gruppen als auch für die Rechte ethnischer Minderheiten ein, etwa die der Kurden und der Armenier. Sie ist Autorin von Sachbüchern mit soziologischer Thematik, schreibt Kinderbücher und arbeitet zur Zeit an ihrem ersten Roman. Im Berliner Orlanda Verlag erschien kürzlich die deutsche Übersetzung ihres Buches "Zum Mann gehätschelt - zum Mann gedrillt", eine soziologische Studie, die sich mit dem Einfluss des türkischen Militärs auf die Eigenwahrnehmung türkischer Männer befasst.

„Sie versteinern, um sich zu schützen“ / Von Petra Pluwatsch

Die Schriftstellerin Pinar Selek stellt am Dienstag im Kölner Literaturhaus ihr neues Buch vor. Darin schreibt sie über den Männlichkeitskult in ihrer türkischen Heimat - und dessen verheerende Folgen.

Pinar Selek ist ein wenig zu früh gekommen und wartet bereits auf ihre Gesprächspartnerin. Das dunkle, lockige Haar ist zu einer lässigen Hochfrisur aufgetürmt, eine bunte Kette schmiegt sich um ihren Hals. Vor ihr liegt eine Packung Zigaretten. Sie deutet auf die Schachtel und zieht fragend eine Augenbraue hoch. Darf ich? Natürlich darf sie. Eine Dolmetscherin und der Freund sind mitgekommen in die unordentlich-gemütlichen Räumen des Berliner Orlanda-Verlags. Ihr Deutsch sei nicht das Beste, entschuldigt sich Pinar Selek auf Türkisch, doch das könne ja noch werden. Zeit, die Sprache zu lernen, werde sie vermutlich genug haben, und das solle jetzt bitte nicht zynisch klingen.

Seit einem Jahr lebt die 39-Jährige türkische Friedensaktivistin, Frauenrechtlerin und Buchautorin in Berlin, beileibe nicht ungern, wie sie sogleich beteuert, doch eben alles andere als freiwillig. Pinar Selek ist eine Verfolgte, ein „Writer in Exile“, der die deutsche Sektion der Schriftstellervereinigung Pen Schutz, Hilfe und ein Stipendium gewährt. Kürzlich ist in Deutschland ihr Buch „Zum Mann gehätschelt, zum Mann gedrillt“ erschienen. In ihrer Heimat sorgt es seit zwei Jahren für Furore.

„Türkei voller Widersprüche“

Männer, so ihre These, sind mehr oder minder „ramponierte Wesen“, eingezwängt in ein enges Korsett aus Pflichten, Regeln und Machtansprüchen. Warum sie so sind, wie sie sind - dieser Frage ist die Autorin in Gesprächen mit knapp 60 türkischen Männern unterschiedlichen Alters nachgegangen. Am heutigen Dienstag wird sie ihr Buch im Kölner Literaturhaus vorstellen.

In ihrer Heimat gilt die Soziologin, Tochter eines linken Anwalts und einer Apothekerin, als eine der Ikonen der Demokratiebewegung. Sie setzt sich ein für die Rechte der Kurden und der Homosexuellen, engagiert sich für Prostituierte und Straßenkinder. Bekannt wurde sie mit einer Untersuchung über das Schicksal von Transsexuellen in der Türkei. Nicht jedem gefällt das. „Die Türkei“, sagt Pinar Selek, „ist ein Land voller Widersprüche. Es gibt eine sehr traditionelle, aber auch eine sehr moderne Lebensform. Beide stehen im Widerspruch zueinander, unterliegen aber auch selber immer wieder Veränderungen.“ Vor allem die Frauen, sagt sie, „haben an Willensstärke gewonnen“.

Hoffnung, dass sich die Dinge zum Besseren wenden, gibt ihr das Ergebnis der jüngsten Volksabstimmung in derTürkei: 58 Prozent der Wähler stimmten am 12. September für eine Verfassungsreform - genug, „um der Regierung zu signalisieren, dass sie weitere Veränderungen einleiten muss“.

Widersprüche und Ängste so ihre Beobachtung, prägen auch das Leben der Türken in Deutschland. Und manchmal, sagt sie, kämen ihr ihre emigrierten Landsleute „wie eingefroren“ vor. „Das Gefühl, fremd und arm zu sein, bringt es mit sich, dass sie sich in Gefahr fühlen. Und weil sie sich in Gefahr fühlen, halten sie sich fest an Werten, die in der Türkei längst überholt sind. Sie versteinern, um sich zu schützen und die eigenen Werte zu bewahren.“ Kann man es ihnen vorwerfen? Einer wie Thilo Sarrazin jedenfalls sollte das nicht tun. Entschuldigen solle er sich für seine „Unverschämtheiten“, sagt Pinar Selek. „Dann können wir uns hinsetzen und über die Situation der Türken in Deutschland reden.“

Sie selber bekam die gewalttätige Seite ihres Landes zu spüren, als sie 1998 für ein Buchprojekt über die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK recherchierte. Die damals 27-Jährige wurde verhaftet und kam in Untersuchungshaft. Sie soll, so der Vorwurf, einen Bombenanschlag auf den Gewürzbasar von Istanbul verübt haben. Mit Elektroschocks versuchten die Peiniger, ihr die Namen von angeblichen Mittätern zu entlocken. Dass die Explosion, wie Experten längst vermuteten, auf eine defekte Gasflasche zurückzuführen war, tat nichts zur Sache.

Zweieinhalb Jahre blieb Pinar Selek in Haft. Vor den Toren des Gefängnisses demonstrierten Straßenkinder, mit denen sie gearbeitet hatte, Prostituierte und Transsexuelle für ihre Freilassung. Pinar Selek redet ungern über diese Zeit. Ihr Gesicht verliert das offene Lächeln, das das Gespräch bislang begleitet hat; ihr Körper versteift sich sichtlich. „Kafka“, sagt sie, und den Schwall türkischer Wörter, der nun folgt, versteht man auch ohne Dolmetscherin. Wie in „Der Prozess“ von Kafka fühle sie sich: gefangen in einer ausweglosen Situation. 2006 wurde Pinar Selek von allen Vorwürfen freigesprochen, doch drei Jahre später hob das Oberste Kassationsgericht den Freispruch wieder auf, Pinar Selek verließ Hals über Kopf die Türkei. Bei einer erneuten Verurteilung droht ihr eine lebenslange Haftstrafe. Parallelen zur Verhaftung des türkischstämmigen Schriftstellers Dogan Akhanli drängen sich auf. Der regimekritische Autor floh 1992 aus der Türkei und lebt seitdem in Köln. Am 10. August wurde er bei seiner Einreise in die Türkei verhaftet und sitzt seitdem in der Nähe von Istanbul in Untersuchungshaft.

Auch Akhanli wird eine Straftat vorgeworfen. Er soll im Oktober 1989 an einem bewaffneten Überfall auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen sein. Wie gestern bekannt wurde, soll demnächst ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet werden. Der Staatsanwalt fordert eine lebenslängliche Freiheitsstrafe: Der Autor sei Kopf einer „terroristischen Gruppe“ und habe den Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung der Türkei angestrebt.

„Ich habe ja noch Glück“

„Das sind Stellvertretervorwürfe“, sagt Pinar Selek. „Man terrorisiert Menschen, die etwas politisch Unbotmäßiges gesagt oder getan haben, wegen einer Sache, meint aber eine ganz andere.“ Kurz nach Akhanlis Verhaftung meldete sich seine Ehefrau bei ihr. „Ich wusste, wie sie sich fühlt, denn meiner Familie ist es nach meiner Verhaftung nicht anders gegangen.“ Ende Oktober wird Pinar Selek in Köln an einer Solidaritätsveranstaltung für Akhanli teilnehmen.

Wie lange sie selber in Deutschland bleiben wird - Pinar Selek weiß es nicht. Derzeit schreibt sie an ihrer Doktorarbeit, ein Roman ist in Vorbereitung. „Es ist nicht einfach, im Exil zu leben“, gibt sie zu. „Aber ich habe ja noch Glück. Ich lebe.“

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