Schlossmuseum Jever - Break on through to the other side!

Schlossmuseum Jever - Break on through to the other side!

Der Besuch in Jever hatte uns auch in das Schlossmuseum geführt, das als kulturelles Heimatmuseum mit seinen lebensechten Ausstellungen und Räumen des späten Mittelalters sowie der folgenden Jahrhunderte weit über die Stadtgrenzen bekannt ist.

Hierzu wird noch ein weiterer Artikel und eine Bilderreihe mit diversen Ausstellungsstücken folgen. Ein ganz besonderes Highlight erwartete uns allerdings am Ende des Rundgangs durch das Heimatmuseum, das sich mittlerweile zu einem besonderen Anziehungsmagneten des Schlossmuseums Jever entwickelt hat: die jüngere Zeitgeschichte der 70er und 80er Jahre des 19.ten Jahrhunderts mit dem Schwerpunkt der Diskotheken-, Hippie- und Musikszene und ihrer Hauptakteure aus dem Norden Niedersachsens, die im Jahr 2007 zunächst skeptisch begutachtet, dann aber doch feierlich eröffnet worden war. Als dann der Besucherstrom stetig zunahm, wurde aus der zunächst für einen gewissen Zeitraum an gedachten Ausstellung eine Dauerpräsentation.

Bis heute anhaltendes Interesses der Besucher im Schlossmusem führte dazu, dass die Ausstellung „Break on through to the other side – Tanzschuppen, Musikclubs und Diskotheken in Weser-Ems“ mit Unterstützung durch die Oldenburgische Landschaft auch weiterhin erhalten bleibt. Mit weit über 100.000 Besuchern seit September 2007, zahllosen Rückmeldungen und einer zweiten Auflage des eigens aufgelegten Katalogs war und ist das Projekt zur Geschichte der regionalen Jugend-, Musik- und Freizeitkultur ein großer Erfolg für alle Beteiligten, das seines gleichen sucht.

Die Ausstellung beschäftigt sich grundsätzlich mit den Stätten, die vor allem der Rock’n’Roll-, Beat- und Rockmusik verbunden waren und gerne mit Begriffen wie Progressiv, Underground oder Subkultur umschrieben wird. Warum sich gerade hier im Norden eine solche Kultur entwickeln konnte, die vor allen zu den Wochenende zahllose Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet und aus Berlin in ihren Bann ziehen konnte, ist bis heute unklar. Viele dieser Lokalitäten des Weser-Ems-Gebietes, die zunehmend in Vergessenheit geraten sind oder bereits nicht mehr existieren, werden umfassend porträtiert. Zum Beispiel das Old Inn am Ortseingang von Aurich, das Alte Fehnhaus in Ostgroßefehn, das Whisky A GOGO in Wittmund, der Nachfolgebetrieb des legendären "Oldtimer" Schortens mit dem "Newtimer" in Zetel am Urwald oder das Tiffany, der Etzhorner Krug, das Ede Wolf, das Renaissance die alle einst in Oldenburg existierten, sowie das Scala und das Charts im Oldenburger Münsterland. Dabei wird den verschiedenen Facetten des Phänomens „Disko“ nachgespürt, denn unabhängig von ihrer Ausrichtung war die „Disko“ nicht einfach nur ein Ort, der von Jugendlichen zum Tanzen aufgesucht wurde, sondern ganz im Gegenteil ein komplexes Gesamtgefüge aus Musik, Mode und Lebensgefühl. Vor allem in den 1970er und 80er Jahren waren Musikclubs und Diskotheken Orte, an denen Jugend stattfand.

Wir hatten aktuell die Möglichkeit mit dem regional legendären DJ und Eigentümer des "Whisky" in Wittmund, Silverio de Luca, einen exklusiven Rundgang durch die Ausstellung zu tätigen und aufgrund seiner unglaublich langen Tätigkeit tiefe Einblicke in dieses kulturelle Erbe der Rock- und Zeitgeschichte zu erhalten. In seinem „Laden“, wie er selbst seine Disko beschreibt, waren unzählige bekannte Persönlichkeiten zu  Gast, so auch der designierte Bundespräsident Wulff.

Das Whisky A GOGO wurde im Juni 1971 eröffnet, damals zunächst noch ohne Rio. Sein Einstieg in die Geschichte begann im November 1971, als er zum ersten Mal zu einem vierwöchigen Auftritt als Gast-Diskjockey nach Wittmund kam. Anschließend fuhr Rio zurück nach Dortmund, um dort in verschiedenen Diskos weiter aufzulegen. Nach mehreren Monaten Abwesenheit erhielt Rio jedoch das einmalige Angebot, das Lokal komplett zu übernehmen und weil ihm die Zeit in Wittmund so gut gefallen hatte, nahm er das Angebot an, so geschehen am 1. Juni 1972.

Als gutes Omen, so Rio, bekam ich zu meinem 1. Geburtstag in Wittmund ein Ferkel geschenkt. "Grete" fühlte sich im Whisky sauwohl (bis wir sie dann irgendwann gegrillt  haben...)! Im Jahre 1973 lernte ich die Beste von allen kennen, meine heutige Ehefrau Julie. Was für ein Glück, was für eine ‚dolce vita’. Die wilden Siebziger vergingen schnell, mit  Whisky Sound und Rock`n`Roll. Im Dezember 1987 wurden über 50 Liter Brandwein und Rosinen eingesetzt („Bohnensopp“), unsere Tochter Myrna war geboren.

Nun aber schnell zurück zur Ausstellung. Neben vielen Ausstellungsaccessoires aus den 70er und 80er Jahren wird authentisches Material zu vielen damals weit über die Bezirksgrenzen bekannten Diskotheken Whisky A GOGO, das Oldtimer, Meta und Old Inn oder besser den Treffpunkten der Hippiekultur gezeigt. Schließlich war Friesland in den 70er Jahren der "Mittelpunkt der Welt", zumindest was Musikkultur und Hippie Zeitgeist betraf. Und die Musik spielt auch in der Ausstellung eine zentrale Rolle. So kann sich der Besucher über 20 Live- und Studioaufnahmen diverser Beatbands aus der Weser-Ems-Region aus den 1960er Jahren anhören. Sämtliche Aufnahmen sind bisher unveröffentlicht und als echte Entdeckung selbst in der einschlägigen Beat-Szene weitgehend unbekannt.

Ein Info-Terminal mit einer Musik-Auswahl, die von Diskjockeys nach ihrem damaligen Programm zusammengestellt wurde, macht Begegnungen mit dem musikalischen Horizont der Zeit möglich. So wird Musik zu hören sein nach Otto Sell’s „Playlist“ aus dem Ede Wolf, aus den Top 100 der Scala nach Wolfgang Schönenberg und eine Auswahl von Rainer Urbschat aus dem Mehrsparten-Programm des Renaissance.

Zeitweilig wurde die Ausstellung zur Diskotheken-Kultur um die Ausstellung „Sounds des Underground in Weser – Ems“ mit LPs der Zeit zwischen 1966 und 1976 ergänzt. Mit der Präsentation von 180 LPs und einem Begleitband wollte das Schlossmuseum Jever den vielen Nachfragen nach der Musik des genannten Zeitraums entsprechen und vor allem etwas von dem dokumentieren, was das (rock-)musikalische Geschehen in den „alternativen“ Diskotheken der hiesigen Region der ausgehenden 1960er und der 1970er Jahre bestimmte.

Und Rio? Ja, den gibt es immer noch! Heute ist sein Lokal an 2 Tagen die Woche (Freitags und Samstags) erst ab 22 Uhr geöffnet. "Ich würde ja gerne wieder um 19 Uhr aufmachen, so wie früher, aber die Zeiten haben sich geändert", sagt Rio nachdenklich. Mittlerweile wächst die dritte Generation im Whisky heran und der heute 68 jährige sieht noch keinen unmittelbaren Grund aufzuhören.

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