Einst Sissu, dann Flaviopolis und heute Kazan

Kozan – wechselhafte Geschichte einer alten Stadt

Wir verlassen Adana auf der Landstraße 815 in Richtung Kazan, da unsere Bekannten in Tarsus von einigen sehenswerten historischen Gebäuden und interessanter Burganlage vor Ort erzählt hatten. 

Bis Kazan sind es auf der gut ausgebauten Landstraße auch lediglich 90 Kilometer, die zunächst am Seyhan Staudamm über Imaoglu und am Kirkgen Su, einem Nebenfluss des Ceyhan entlang, führt. Kozan liegt südlich des sogenannten Anti-Taurus in der Çukurova, einer sehr fruchtbaren Tiefebene zwischen dem Taurusgebirge und dem Golf von Iskenderun, der Region, die einst zum antiken Kilikien gehörte.

Zur Zeit der Assyrer wurde die Stadt Kazan mit Sissu bezeichnet als sie vom Sohn König Sanheribs, Kronprinz Asurhaddon, im Jahr 676 vor Christus unterworfen wurde. Die Assyrer hatten sich schon um 680 vor Christus erfolgreich gegen den Einfall des nomadisierenden Reitervolks der Kimmerer wehren können. Bei Hubusna war es zur Entscheidungsschlacht gekommen. In der Folge konnte Phrygien besiegt werden und assyrische Truppen drangen bis nach Lydien vor. Im Jahr 677 vor Christus wurde der König von Sidon besiegt und von den Assyrern enthauptet, da er sich gegen sie aufgelehnt hatte. Sidon wurde bei dieser Schlacht komplett verwüstet, allerdings dann als Hafen des Asurhaddon wieder neu aufgebaut, wobei die phönizische Bevölkerung nach Assyrien zwangsumgesiedelt wurde. Im Rahmen des Feldzugs 676 vor Christus, der bis in das Taurusgebirge hinein führte, wurde auch Sissu von den Assyrern erobert. Am 27. Oktober 669 vor Christus verstarb König Asurhaddon an einer schon länger bestehenden Krankheit in Harran.

Römische Armee unter König Chosrau erobert Armenien

Im Verlauf der nächsten Jahrhunderte wandelte sich der Name der Stadt zu Sision und tauchte in den Geschichtsschreibungen erst in Verbindung mit dem Namen Gregor dem Erleuchter, dem ersten Katholikos von Sision, im Jahr 267 nach Christus wieder auf. Gregor war schon in jungen Jahren von seinen Erziehern nach Caesarea, dem heutigen Kayseri, in Kappadokien gebracht worden, wo er von dem Priester Phirmilianos christlich erzogen wurde. Nachdem Trdat III, der Sohn des ehemaligen armenischen Königs Chosrau II an der Spitze einer römischen Armee das väterliche Reich Armenien zurückerobern konnte, marterte und verurteilte Trdat III den Gregor, da dieser sich weigerte, der Zoroastrischen Göttin Anahita zu opfern. Den Erzählungen des Geschichtsschreibers Agathangelos zu Folge wurde Gregor im Kloster Khor Virap auf der Ararat Ebene in einer Grube eingekerkert. Als nach etwa 13 Jahren der König Trdat schwer erkrankte, befreite man Gregor aus seinem Verließ und holte ihn an den Königshof. Gregor konnte den König Trdat heilen und sogar zum Christentum bekehren, womit im Reich alle heidnischen Kulte abgeschafft wurden. Dieses Ereignis im Jahr 301 begründete die Armenische Apostolische Kirche. 

Im Jahr 315 wurde Gregor durch Leontius von Cäsarea zum Bischof geweiht und taufte in der Folge König Trdat, dessen Familie, die armenischen Fürsten und die abhängigen Könige von Georgien, wodurch Armenien zum ersten christlichen Staat der Welt wurde. Mit diesen Amtshandlungen konnte Gregor das Christentum in Armenien weitestgehend festigen, so das er sich daraufhin in die Einsamkeit einer Höhle des Bergs Sebuh in Oberarmenien zurück zog. Wahrscheinlich verstarb Gregor hier im Jahr 331. Sein Sohn, der Heilige Aristakes wurde durch Erbschaft zum Oberhaupt der armenischen Kirche, weshalb er auch am Konzil von Nicäa beteiligt war. Der römische Einfluss auf Sision nahm in diesen Jahren so stark zu, das auch der Name der Stadt in Flaviopolis umgewandelt wurde. Von den Römern ging Flaviopolis an die Byzantiner über bis die Stadt im 9. Jahrhundert von den Abbasiden erobert werden konnte, die schon bald darauf unter dem Kalifen al-Mutawakkil die Stadtbefestigungen errichten lies. Reste der Befestigungen und der Burganlage sind noch gut zu erkennen. Nach kurzer Zwischenherrschaft durch die Byzantiner geriet Flaviopolis unter die Herrschaft der Seldschuken.

Aus Flaviopolis wird Sis - Königreich Kilikien entsteht

Im Jahr 1187 wandelte sich der Name erneut, denn aus Flaviopolis wurde Sis. Durch die Ausweitung des Armenischen Königreichs von Kilikien wählte man Sis zur neuen Hauptstadt des Landes und verfügte ab 1294 sogar den Sitz des Katholikos der Armenier hierher. Es wurde ein aufwendiger Königspalast sowie eine Kathedrale auf einer der befestigten Terrassen unterhalb der Burg errichtet. Als dann wenig später der Rubenide Leon die armenische Königskrone anstrebte, brauchte er die Unterstützung Roms und so wurde im Jahr 1198 eine Kirchenunion mit der römisch-katholischen Kirche vollzogen. Etwas später errichtete König Leon I einen weiteren Kirchenbau, in dem der Thron der Könige von Kleinarmenien bis ins frühe 20. Jahrhundert aufbewahrt wurde.

In den Jahren 1204, 1243, 1251, 1307, 1342, und 1361 wurden jeweils die Synoden der armenischen Kirche in Sis abgehalten. Die Synode des Jahres 1251 war insofern von besonderer Bedeutung denn auf Veranlassung des Papstes Innozenz IV nahm auch ein Abgesandter des Papstes teil, der die Armenier davon überzeugen sollte, das der Heilige Geist vom Vater und vom Sohne ausginge („Filioque“). Während der Synode von 1307 wurden Veränderungen in der Liturgie verabschiedet, die zwar schon während der Unionsverhandlungen zwischen der armenischen und der katholischen Kirche im Jahr 1198 vereinbart worden waren aber immer wieder zu Unwillen in den Gemeinden führten, letztendlich sogar zur Ermordung eines Bischofs, der im Jahr 1310 Wasser zwecks Verdünnung in den Messwein gefüllt hatte.

Es waren vor allem die folgenden Änderungen:
- Beimischung von Wasser zum Wein während der Messe
- Firmung der Gläubigen allein durch Bischöfe
- Krankensalbung nach dem römischen Muster 

Der Protest der Gläubigen führte um 1361 während der letzten Synode in Sis zur Rücknahme dieser Verfügungen in der Liturgie.

Eine erste Moschee entsteht im Jahr 1448

Im Jahr 1375 wurde Sis von den Mamluken erobert, die hier 1448 eine sehenswerte Moschee als typisches Beispiel mamlukischer Baukunst errichteten, die Hoskadem Moschee.
Als in Konkurrenz des armenischen Katholikats von Kilikien das ostarmenische Katholikat in Etschmiadsin im Jahr 1441 neu gegründet wurde, verblieb das armenische Katholikat trotzdem in Sis. Erst nach Ende des ersten Weltkriegs wurde der Sitz offiziell nach Antelias in den Libanon verlegt. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert entstanden oberhalb der Ruinen des Königspalastes neue Kirchen und auch ein bedeutendes Kloster, in dem auch der Katholikos residierte. 

Als es im Jahr 1915 zum Exodus der Armenier kam, konnte der Kirchenschatz, der aus liturgischen Büchern, Gewändern und Gerätschaften bestand, weitestgehend gerettet werden. Allerdings wurden die Kathedralen, Kirchen und Klöster in Sis fast komplett zerstört. So sind es heute hauptsächlich noch die Moschee Hoskadem und die Burganlage von Sis, die den besonderen Reiz des Ortes ausmachen.

Bitte lesen Sie auch:

Gideon Freiherr von Laudon und die Befreiung Belgrads
Die Osmanen verlassen Belgrad - eine Stadt im Wandel

Weitere Informationen auch in den praktischen Reiseführen hier:

Türkei Mittelmeerküste (10. Auflage 2015)

Michael Bussmann, Gabriele Tröger

Michael Müller Verlag, 504 Seiten, 10. Auflage 2015, farbig, 22,90 EUR (D), 23,60 EUR (A), 33,90 CHF, ISBN 978-3-89953-975-2

Geschichte

Kultur

Leben | Outdoor