Imposantes Gradierwerk in Bad Kösen – an der Saale

Imposantes Gradierwerk in Bad Kösen – an der Saale

Wenn man in unterschiedlichen Regionen Deutschlands unterwegs ist, trifft man hin und wieder auf interessante Bauten eigentlich längst vergangener Zeiten, die aufgrund veränderter Nutzung und veränderte touristischer Interessenlagen, fast überraschend, wieder einen hohen Stellenwert erhalten.

So sind wir in dem kleinen Ort Bad Kösen auf ein Gradierwerk gestoßen, dass zwar immer noch in Betrieb ist, in seiner Funktion aber längst nicht mehr zur Salzgewinnung allein genutzt wird. Gradierwerke werden in Deutschland heute oft zu Kurzwecken betrieben und sind deshalb besonders häufig in Kurorten vorzufinden, so auch in Bad Kösen.

Salzaerosol gut für Pollenallergiker und Asthmatiker

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_bad-koesen-gradierwerk-1.jpgDurch die herabrieselnde Sole auf das Ästergewerk wird die Luft in der Nähe des Gradierwerks mit Soletröpfchen und Salzaerosol angereichert, die Wasser Tröpfchen binden Partikel in der Luft. Dies wirkt sich ähnlich wie bei Seeluft beispielsweise bei Pollenallergikern und Asthmatikern positiv aus. Durch das Einatmen salzhaltiger Luft werden die Atemwege befeuchtet und die Wandungen der Atemorgane positiv beeinflusst. Des Weiteren besitzen die feinen Salzkristalle eine sekretlösende Wirkung, reinigen die Atemwege intensiv von Bakterien und lassen die Schleimhäute abschwellen. Viele Ärzte und Heilpraktiker empfehlen aus diesen Gründen einen längeren Aufenthalt an der See oder in Kurorten, welche sich den Effekt der Gradierwerke zu Nutzen gemacht haben, was aber nicht von vielen Bürgern bewusst umgesetzt wird.

Gradierwerke und Salinen – Salzgewinnung open air?

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_bad-koesen-gradierwerk-2.jpgHeute sind Gradierwerke deshalb eher eine touristische Attraktion in seinen Dimensionen, denn auch der eigentliche Kur- und Badbetrieb läuft längst nicht mehr so umfassend attraktiv wie noch vor 100 Jahren, trotzdem werden keine Kosten und Mühen gescheut, auch die dazugehörige Technik wieder auf Vordermann zu bringen. Was sind die Gründe?

Viele Gradierwerke sind oder waren Teil von so genannten Salzwerken, das aus einem Gradierwerk und einer Saline besteht. Häufig werden Gradierwerke falsch als „Salinen“ bezeichnet, denn eine Saline ist eine Anlage zur Gewinnung von Speise- oder Kochsalz durch Verdampfen von Wasser aus der Sole einer natürlichen Quelle, was oft unter Tage geschieht. Meerwassersalinen dagegen sind relativ flache Becken, manchmal einfache, kleine Erdwälle, in denen Meersalz durch Verdunstung von Meerwasser gewonnen wird.

Auch das Gradierwerk ist grundsätzlich eine Anlage zur Salzgewinnung. Sie besteht aus einem Holzgerüst, das mit Reisigbündeln, hier am liebsten Sträucher des Schwarzdorn, verfüllt ist. Das Verb gradieren bedeutet „einen Stoff in einem Medium konzentrieren“. Im Falle eines Gradierwerks wird der Salzgehalt im Wasser erhöht, indem Sole durch das Reisig hindurchgeleitet wird, wobei auf natürliche Weise Wasser verdunstet. Außerdem lagern sich Verunreinigungen der Sole an den Dornen ab; dadurch wird die Qualität des erzeugten Salzes erhöht.

Technische Innovationen zur Salzgewinnung im 16ten Jahrhundert

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_bad-koesen-gradierwerk-3.jpgVom 16. zum 17. Jahrhundert hatte sich als technische Innovation die Dorngradierung durchgesetzt, die es den Salinen, deren Solequellen einen geringen Salzgehalt aufwiesen, ermöglichte, eine konzentriertere Sole zu versieden. Die Sole rieselte durch meterhohe Wände von Dorngestrüpp und wurde so von Wind und Sonne konzentriert. Gleichzeitig setzten sich Verunreinigungen der Sole (wie z. B. Kalk oder Gips im Reisig ab und bildeten den grau-braunen Dornstein.

Dieses technische Verfahren hat die zuvor genutzte Strohgradierung vollkommen aus den Gradierhäusern verdrängt. Das erste Strohgradierwerk war im 16. Jahrhundert als technikgeschichtliche Innovation in Bad Kissingen errichtet worden. Die Dorngradierung machte dann das schnell faulende und die Sole verunreinigende Stroh überflüssig, und sie trug sogar zur Reinigung der Sole bei. Die dazu nötigen hohen Holzgerüste, die Pumpen und die immer größer werdenden Siedeeinrichtungen erforderten allerdings einen hohen Kapitalaufwand mit der Folge, dass im Zuge der aufkommenden Wirtschaftspolitik in vielen Territorien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zunehmend staatliche Monopolsalinen gegründet wurden.

Moderne Nutzung der Bauwerke – Restaurationen sind angesagt

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_bad-koesen-gradierwerk-6.jpgGradierwerke dienen oft auch als Sehenswürdigkeiten, so wurde besonders in Bäderorten oftmals heftig darüber diskutiert, ob die Errichtung neuer Gradierwerke ihren Kureinrichtungen hinreichend viele neue Kurgäste zuführe und eine entsprechende Kosten-Nutzen-Rechnung positiv ausfalle. Für Bad Kösen mag dies insbesondere zutreffen, wenn es sich über der Saale auf steilem Felsabhang stehend dem Betrachter von der Saalebrücke aus zeigt und so zum prägenden Bild des kleinen Kurortes am Mittellauf der Saale beiträgt.

Nun verfügt Bad Kösen bei weitem nicht über die einzige oder größte Anlage dieser Art. Allein in Deutschland können 28 Städte auf derartige Gradierwerke unterschiedlicher Größe und regional verschiedener Bauart verweisen. Aber alle diese Orte haben eine Gemeinsamkeit, sie verfügen über mineralische Quellen mit einem hohen Anteil an gewinnungsfähigen Kochsalz . Allerdings treten Salzkonzentrationen auf, die weit unter dem Sättigungsgrad liegen und daher eine wirtschaftlich sinnvollen Versiedung der Rohsole nicht gestatten.

Wasserkraft als Quelle der Energie zum Solepumpen

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_bad-koesen-gradierwerk-4.jpgZur Förderung aus den Quellschächten zu den Gradierwerken und zum Soleumlauf bei der Gradierung werden Pumpwerke verwendet, die von Menschen oder Tieren angetrieben wurden. Mit dem technischen Fortschritt konnte aber auf Wind- und Wasserkraft zurückgegriffen werden. Wasser- und Windkünste verbunden mit Kraftübertragungsanlagen, sogenannte Feldgestänge, machten die natürliche Energie nutzbar und den Betrieb der Anlagen effektiver. Und gerade hier liegt ein besonderes interessantes Groß-Detail in Bad Kösen.

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_bad-koesen-gradierwerk-5.jpgDas Bad Kösener Gradierwerk ist also ein wirkliches Beispiel dieser geschichtlichen Entwicklung vom Teil eines Salzwerkes zum Mittelpunkt der Soletherapie des 20. Jahrhunderts und verdankt dieser auch den zu allen Zeiten unternommenen Bemühungen zur Erhaltung des gesamten Ensembles zur Salzgewinnung. Heute kann zu Recht gesagt werden, dass die noch vorhandenen Anlagen des einstigen Salzwerkes zu Kösen, einzigartig sind in ihrem Zusammenhang zwischen dem energieerzeugenden Wasserrad direkt an der Saale, der Kraftübertragungsanlage, der gerade in äußerst interessanter Holzbauweise aus Lärchenholz restauriert wird, dem Solschacht sowie dem eigentlichen Gradierwerk und der funktionierenden Technik.

Wir freuen uns auf den nächsten Besuch in Bad Kösen, wenn hoffentlich auch die Wassermühle mit der Kraftübertragungsanlage zwischen Wasserrad und Gradierwerk läuft.

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