Schulpforte – Internat zur Förderung Begabter

Schulpforte – Internatsgymnasium zur Förderung Begabter

Schon mehrfach waren uns die historisch imposanten Gebäude des „Ortes“ Schulpforte aufgefallen, wenn wir zwischen Bad Kösen und Naumburg auf der Bundesstraße 87 unterwegs waren.

Auch die häufig gut gefüllten Parkplätze deuteten auf interessante Begebenheiten hin, die sicherlich nicht ohne Weiteres und im Vorbeifahren zu erkennen sind. Also ran an die Recherche zur Vorbereitung eines Besuchs vor Ort. Mehrfach waren uns auch Bürger aufgefallen, die mit Einkaufstaschen und Körben voller Wein bepackt waren, was auf einen Weinhandel schließen ließ.

Die erste Recherche ergab, dass die Landesschule Pforta heute ein Internatsgymnasium zur Förderung Begabter ist, dass schon seit 1543 besteht und damit eine der ältesten Bildungseinrichtungen in Mitteldeutschland ist. Die Schule nutzt seit ihrer Gründung Gelände und Gebäude der einstigen Zisterzienserabtei Pforta in Schulpforte, einem Ortsteil von Naumburg im Burgenlandkreis.

Klostergründung durch Bischof Udo I von Naumburg

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_schulpforte-1.jpgBischof Udo I. von Naumburg verlegte 1137 das wenige Jahre zuvor in Schmölln gestiftete und mit Mönchen aus dem Kloster Walkenried besetzte Zisterzienser-Kloster an die Saale und gab ihm den Namen Claustrum apud Portam (Kloster an der Pforte). Die anwesenden Mönche kultivierten das Land um das Kloster und machten es mit der Zeit so zu einem der reichsten Klöster Ostthüringens. 1150 wurde die Klosterkirche in der Form einer romanischen Basilika errichtet und von 1251 bis 1320 zur heutigen gotischen Klosterkirche umgebaut.

Schon 1209 wurden dem monasterium Cisterciensis ordinis apud Portam, das unter besonderem Schutz der sächsischen Herzöge stand, 27 Orte gehörig genannt mit einer Gesamtanzahl von 163 Hufen, zuzüglich von Waldungen und Wiesen. Später wurde das Kloster durch Erbschaften, Schenkungen und Kauf einer der größten Grundbesitzer im nördlichen Thüringen.

Nach der Säkularisation des Klosters 1540 gründete der sächsische Herzog Moritz dort am 21. Mai 1543 eine der drei sächsischen Fürstenschulen, in deren Tradition die in den ehemaligen Klostergebäuden untergebrachte heute noch bestehende Landesschule Pforta steht. Diese Schulen sind die ältesten staatlichen Schulen in Deutschland. Von 1543 bis 2018 haben (laut Immatrikulationsbuch) 21.291 Schüler die Landesschule Pforta besucht und im im Jahr 2018 konnte die Schule ihr 475-jähriges Jubiläum feiern.

Schulentwicklung und pädagogischer Ansatz

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_schulpforte-2.jpgVom bedeutenden Pädagogen Friedrich Paulsen stammt die viel diskutierte These, die drei sächsischen Fürstenschulen seien seit 1543 die leistungsfähigsten hochschulvorbereitenden Einrichtungen im protestantisch-deutschsprachigen Raum gewesen.

150 Jungen aus allen Schichten erhielten hier eine Hochschulausbildung. Der Besuch war schulgeldfrei. Zur materiellen Absicherung der Schule übertrug Herzog Moritz den ehemaligen Klosterbesitz der Stiftung Schulpforte. Von 1573 bis 1575 wurde die Schule umgebaut und erweitert.

Die Schüler übernehmen vom ersten Tag an in Schulpforta Verpflichtungen, wie den Famulus- und Keildienst. Der Famulus sitzt ab dem Silentium, der nachmittäglichen Hausaufgabenzeit, im Eingangsbereich seines Internates. Der Keildienst ist für das Läuten der Keilglocke zuständig, die anstatt einer elektrischen Klingel den Tagesrhythmus, zum Beispiel die Pausen- und Internatszeiten, bestimmt. Regeln und Rechte sind hauptsächlich nach der Klassenstufe verteilt, die Zwölftklässler müssen die Famulus- und Keildienste beispielsweise nicht mehr verrichten. Die Selbstverwaltung der Schüler ist hier stärker ausgeprägt als an anderen staatlichen Schulen. Zu den Bestandteilen des Internatslebens gehören der Neunerschwoof, eine Art humorvolle traditionelle Einweihungsfeier für die neuen Internatsschüler, und die Taufe an der Klopstockquelle als Aufnahme in die Gemeinschaft der Pfortenser. Im Laufe des Schuljahres gibt es weitere Traditionen wie das Martini-Gänseessen am 11. November, den Lumpenball im November, das Wichteln mit feierlicher Entwichtelung im Advent, den Fasching im Februar und das Schulfest im Mai, bei dem der Schulgeburtstag gebührend gefeiert wird.

Das Internatsleben zwischen 18. und frühem 20. Jahrhundert

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_schulpforte-3.jpgDie reguläre Unterrichtszeit umfasste zunächst nur etwa die Hälfte der Arbeitszeit der Schüler und wurde immer wieder durch Repetierzeiten oder Arbeitszeiten unterbrochen. Diese bedeuteten, dass sich die Schüler in Gruppen von etwa 10 bis 18 Schülern auf den Stuben aufhielten, wo sie unter Aufsicht eines Primaners (12. oder 13. Klasse) arbeiteten, der in dieser Zeit seinerseits seine persönliche Arbeiten erledigte. Dabei waren die Schüler noch in Tischgruppen aufgeteilt, bei denen wiederum der Tischälteste für Ruhe zu sorgen hatte.

Unter den Primanern hatten einige als Inspektoren eine zusätzliche Verantwortung bei der Aufsicht in den Schlafsälen (jeweils für eine oder zwei Klassen), beim Mittagessen und in der Freizeit innerhalb der Schule. Diese Inspektoren hatten Strafbefugnis gegenüber allen Schülern bis zur Obersekunda (11. Klasse), auch wenn sie diese gegenüber den „Oberhähnen“ der 11. Klasse im Normalfall nicht wahrnahmen. Schwerere Strafen verhängte die Inspektorenversammlung. Nur bei schwerwiegenden Verstößen wurde der zuständige Lehrer (Hebdomadar) informiert, der solche Fälle auch vor die Lehrerkonferenz (Synode) bringen konnte.

Heute sind an die Stelle der Inspektoren Flur- und Internatssprecher getreten, die Flursprecher kontrollieren jeweils ihren Flur zu Beginn des Silentiums (der Hausaufgabenzeit) und zur Zimmerpflicht (für Neuntklässler 21:00 Uhr, dann immer pro Jahrgang eine Viertelstunde später, bei Zwölfern existiert keine Zimmerpflicht mehr). Essensdienst wird heutzutage gesondert eingeteilt, jeder Schüler ist im Jahr an der Reihe.

b_450_450_16777215_00_images_deutschland_sachsen-anhalt_schulpforte-4.jpgFreizeit bedeutete im Normalfall, dass die Schüler das Gebäude zu verlassen und sich (auch bei Minusgraden unter 15 Grad) im Schulgelände aufzuhalten hatten. Das Recht, das Schulgelände zu verlassen, war lange Zeit auch den Primanern nur wenige Stunden in der Woche gestattet: normalerweise drei Stunden beziehungsweise vier Stunden für die, die sich besonders ausgezeichnet hatten. Unter dem Einfluss der Jugendbewegung und der Reformpädagogik wurde die Klausur langsam gelockert. Dies bedeutete, dass auch Schüler der unteren Klassen (8. und 9.) das Schulgelände verlassen durften, allerdings nur ein bis zwei Stunden pro Woche. Heute darf das Schulgelände in der Freizeit jederzeit verlassen werden, allerdings erst, wenn sich der Schüler im Austragsbuch mit Namen, Ziel und Uhrzeit eingetragen hat.

Interessante Einblicke in das Gelände sind möglich, denn das Gelände der Schule ist am Tage frei zugänglich. Ebenso können die ehemalige Klosterkirche mit Friedhof und der Kreuzgang besichtigt werden.

Zu empfehlen sind auch die sich dem Gelände anschließenden Wander- und Radwege zur Kloppstockquelle oder zum Bismackturm, die dann weiter bis Naumburg und Freyburg auf dem Saale-Radweg oder Bad Kösen führen, kurz : ein lohnendes Zwischenziel während der Erkundung des Burgenlandkreises.

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