Die Walser - alemannische Volksgruppe im Alpenraum

Die Walser - eine alemannische Volksgruppe

Natürlich wollten wir unseren Aufenthalt im Kleinwalsertal auch dazu nutzen, etwas über den hier ansässigen, uralten Volksstamm der Walser zu erfahren, der vor nunmehr 800 Jahren das Kleinwalsertal besiedelt hatte und zumindest teilweise seinen höchstalemannischen Dialekt, das Walserdeutsch, noch beibehalten hat.

Über die Jahrhunderte konnten die Walser einen großen Teil ihrer Identität bewahren, Brauchtum und Tradition erhalten und sich gleichzeitig in die umgebenden Volksgruppen integrieren.

Dankenswerterweise erhielten wir auch zu diesem Themenkomplex tatkräftige Unterstützung durch die Kleinwalsertal Tourismus eGen, denn im Besuchsprogramm stand die besondere Führung "Den Walsern auf der Spur: Baukunst und Lebensart" auf der Tagesordnung, an der wir natürlich gern teilnehmen wollten. So hatten wir zudem das Glück, den Walser Chronisten Stefan Heim kennen zu lernen und ihn auf einer Wanderung durch die Geschichte der Walser seit der Besiedlung zu begleiten. Am Gebäude der Tourismusorganisation in Mittelberg sollte der Rundgang entlang der historischen Gebäude beginnen, der neben der Architektur der Gebäude und Stallungen der Walser auch ihre landwirtschaftlichen Vorteile und Errungenschaften aufzeigen sollte. Und Stefan Heim war wirklich die geeignete Person für diesen Rundweg, sein Engagement war unverkennbar.

Vor etwa 1000 Jahren begannen die Wanderungen der Alemannen aus dem heutigen Kanton Wallis (Berner Oberland, Goms im Wallis) heraus in die Alpenregionen in der Schweiz, in Norditalien, Liechtenstein, Österreich und Bayern, auch das obere Rhonetal zählte zu den ersten Siedlungsgebieten.

Im 13. und 14. Jahrhundert begannen einzelne Gruppen der aufgrund der Herkunft dann mit Walsern bezeichneten Volksstämme, das Rhonetal wieder zu verlassen; sie zogen in alle Himmelsrichtungen, vor allem aber nach Osten:

- zwar zum Wallis gehörend, aber erst im Zuge der Walserwanderungen besiedelt wurden die jenseits der Wasserscheide gelegenen Gemeinden Simplon und Gondo;

- im Berner Oberland: Lauterbrunnen, Mürren, Planalp, aber auch vereinzelte Vorposten im Berner Mittelland

- Teile der alpinen Gebiete des Waadtlandes und Savoyens

Im ausgehenden 12. Jahrhundert überstiegen die ersten Gruppen von Oberwallisern die Pässe, vermutlich am Großen Widderstein, so die Historiker, um sich im Kleinwalsertal niederzulassen. Das heutige Land Vorarlberg und somit auch das Kleinwalsertal wurde als letzte Region von den Walsern besiedelt.

Einer der wichtigen Gründe für die mittelalterlichen Walserwanderungen war, so zumindest die Vermutungen der Wissenschaftler, der wachsende Bevölkerungsdruck und die Suche nach neuen landwirtschaftlichen Anbauflächen. Vielleicht waren aber auch Naturkatastrophen, Klima Veränderungen (vor etwa 700 Jahren gab es eine Warmzeit) oder Pestepidemien zumindest mitverantwortlich. Vielleicht waren die Walser aber auch nur besonders auf Abenteuer aus.

Eine weitere zentrale Rolle spielten sicherlich auch die Feudalherren der damaligen Zeit mit ihren verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Verbindungen, die es gestatteten, die anzusiedelnden Walser in unwirtlichen Gegenden anzusiedeln. Über die Jahre hatten die Walser Techniken entwickelt, die auch das Bewirtschaften von hoch gelegenen Bergregionen ermöglichten. Die Bevölkerung und auch die Anbauflächen wuchsen. Dadurch sicherten sich die Herren ihren Unterhalt und ihre Herrschaftsansprüche. Die Herrscher der betreffenden Gebiete förderten dann in Kenntnis dieser Tatsache die Besiedlung durch Steuerbefreiung und Vergabe besonderer Kolonistenrechte. Somit bot die Neuerschließung von Land den Walsern die Möglichkeit zur Befreiung aus der feudalen Leibeigenschaft. Die Walser wurden in der Folge wegen ihrer eigenen Rechtsverfassungen auch „Freie Walser“ genannt.

Die Siedler erhielten an vielen Orten das daraus resultierende "Walserrecht" (Kolonistenrecht), d.h. die persönliche Freiheit, das Recht zur Bildung eigener Gerichtsgemeinden und das Recht der freien Erbleihe von Grund und Boden. Dies besagt, das beim Tod eines Siedlers das Gut auf seine Erben überging. Das Walserrecht wurde gegen einen mäßigen Zins und die Verpflichtung zum Kriegsdienst gewährt.

Die älteste urkundliche Mitteilung über das Kleinwalsertal findet sich in einem Schriftstück vom 5. Februar 1059, in dem Kaiser Heinrich IV dem Bischof Heinrich von Augsburg einen großen Wildbann schenkte. Zur Zeit der Einwanderung der Walser im Kleinwalsertal (1250 - 1300), welche gleichzeitig oder in unmittelbarer Folge derjenigen des Tannbergs (Lech, Warth, Schröcken) geschah, woraus die lang bestehende Zusammengehörigkeit beider Gemeinden hervorging, gehörten Tann- und Mittelberg den Freiherren von Rettenberg aus dem Allgäu. Diese gestatteten die Rodung und Ansiedlung in ihren Gebieten, welche bisher als Jagd oder Alpgebiet genutzt worden waren.

Beim Tode des letzten männlichen Erben der Rettenberger kam das Tal anno 1350 durch Teilung an die Truchsessin Adelheid von Waldburg und diese verkaufte die Besitztümer 1351 an die Gebrüder Heimenhofen. In dem Besitz dieser Familie blieben Tannberg und Mittelberg etwa einhundert Jahre. 1451 kamen Graf Ulrich von Werdenberg-Sargans und Hans von Rechberg (ein Raubritter) aus unbekannten Gründen, jedenfalls aber in einer Streitsache, auf den Tannberg und wurden dort von den Walsern trotz des freien Geleits , das ihnen Herzog Sigmund von Tirol gegeben hatte, gefangen genommen und misshandelt. Der Herzog ersuchte um Entlassung, aber dies wurde abgeschlagen. Ulrich von Werdenberg wurde zwar los gelassen, aber Hans von Rechberg blieb eingesperrt. Nun brauchte der Herzog Waffengewalt und eroberte den Tannberg, worauf die ganze Gemeinde inklusive Mittelberg und Riezlern sich ihm ergab.

Sprachkultur und Tradition im Bauen

Die Kultur und Sprache der Walser ist in weiten Teilen des Siedlungsgebietes noch heute lebendig geblieben; der höchstalemannische Dialekt hebt sich von den hochalemannischen Dialekten der Bündner und den mittelalemannischen Dialekten der Vorarlberger Umgebung stark ab. Typisches, das Walserdeutsche definierende Merkmal ist der sch-Laut in Worten wie schi 'sie' (Singular und Plural), böösch „böse“, ünsch/iisch „uns“, Müüsch/Miisch „Mäuse“, Hüüscher/Hiischer „Häuser“.

Letztgenannte "Hüüscher" sind ebenfalls mit typisch traditionell zu bezeichnen. Die ursprünglichen Gebäude der Walser in der ersten Bauperiode, also gleich nach der Einwanderung um 1300, waren einfache Blockhäuser von ca. 5,70 Metern Länge und Breite, was auf die Nutzbarkeit der vorhandenen Bäume zurückzuführen ist, mit zwei niedrigen Stuben, Wohn- und Kochraum im Erdgeschoss, Schlafraum im Obergeschoss. Unbehauene Baumstämme waren das Baumaterial. Erst ab dem 16. Jahrhundert wurden die Blockhäuser aus behauenem Holz gefertigt. Erst in der dritten Bauperiode, die nach dem 30-jährigen Krieg begann, wurden die Häuser erweitert. Jetzt wurden zur besseren Isolation beispielsweise die Außenwände geschindelt oder auch mit Kalkmörtel beworfen. Auch die Dächer erhielten jetzt kleinere, fast schon filigrane behauene Schindeln aus Holz.

Ursprünglich stand in kleiner Entfernung zum Haus ein Speicher zum Aufbewahren von Lebensmitteln. Solche Speicher findet man heute noch in der Urheimat der Walser im Wallis, aber auch in Hirschegg wurden solche Speicher aufgestellt. Auch der Stall wurde stets in einiger Entfernung zum Wohnhaus errichtet, im Gegensatz zu anderen Regionen, wo Mensch und Vieh sehr eng nebeneinander lebten, um z.B. die Abwärme der Tiere zu nutzen. Typisch dabei, und das ist noch heute an den vielen Beispielen uralter Ställe im Walsertal erkennbar, sind die behauenen Stämme im Erdgeschoss des Stalls, die dicht auf dicht gestapelt wurden, um die Wärme der Tiere im Gebäude zu erhalten, während im Obergeschoss, das zur Lagerung des Heus diente, ganz bewusst unbehauenes Holz verarbeitet wurde, damit die Luft durch das Heu zirkulieren konnte. Interessant sind dabei auch die Verbindungen der Hölzer in den Gebäudeecken. Teilweise findet man relativ simple Überblattungen, jedoch sind auch kunstvolle Schwalbenschwanzverbindungen durchaus anzutreffen, die besonders stabil die Gebäude Ecken zusammen hielten.

All diese Punkte zu betrachten und zu erfahren, auch die Geschichten der einzelnen Ställe, die teilweise mit Erdhügeln in Bergrichtung abgesichert waren, damit bei heranrauschenden Lawinen der Stall nicht zerstört wurde, war ein Verdienst unseres Rundwegführers Stefan Heim, der zu vielen Gebäude erzählen konnte. Auch sein eigenes Elternhaus ist ursprünglich ein typisches Walserhaus gewesen, was allerdings im Laufe der Jahre dann erweitert wurde.

Walsersiedlung Juf in der Schweiz

Wir hören auch erstmals von einer kleinen Ortschaft namens Juf, die als die höchstgelegene ganzjährig bewohnte Siedlung der Schweiz und eine der höchstgelegenen Europas gilt. In Juf leben etwa 30 Einwohner aus sechs Walserfamilien auf 2'126 Metern ü. M. und damit oberhalb der Baumgrenze. Neben einigen Wohnhäusern gibt es einen Gasthof, mehrere Ferienwohnungen, ein Touristenlager und eine Poststelle. Durch seine außergewöhnliche Höhenlage ist das Dorf oft Ausgangspunkt für Bike- oder Wandertouren zu den Pässen Septimer, Splügen, Julier und San Bernardino, nach Maloja, Bivio oder ins Bergell. Im Winter ist Juf Ausgangspunkt für Skitouren.

Juf ist Endpunkt der heutigen Averser Kantonsstrasse und somit des motorisierten Verkehrs, sowie der ehemaligen, teilweise erhaltenen und rekonstruierten Alten Averserstrasse, die als Wanderroute dient. Die Strasse wurde als letzte Erschließungsstrasse im Kanton Graubünden erstellt, nachdem alle andern Täler schon mit "Handelsstrassen" erschlossen waren. Im Jahre 1893 war die Strasse bis zur Valle di Lei-Brücke oberhalb von Innerferrera in Bau. Während der Bauzeit mussten Fußgänger auf die andere Seite des Flusses wechseln.

Vor und während dem Bau der Strasse war das ganze Madris und die obere Averser Talschaft zur Versorgung auf das italienische Chiavenna ausgerichtet. Viele Waren wurden über den 2649 m hohen Madrisberg oder den Passo del Lago (heute Bochetta di Lägh) herbei geschafft. Die Post wurde vom Postboten zu Fuß nach Cresta gebracht und Pakete über fünf Kilogramm blieben in Andeer liegen, wo sie vom avisierten Empfänger abgeholt werden konnten. Diese Route, die heute von Wanderern gern benutzt wird, galt schon zu Zeiten der Römer als ein wichtiger Handelsweg über die Alpen. Der so genannte "Walserweg", ein Fernwanderweg von San Bernardino nach St. Antönien und ins Montafon, der den Wanderungen der Walser folgt, benützt ebenfalls die Alte Averserstrasse, obwohl die Strasse neuer ist als diese erste Besiedelung durch die Walser.

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