Türkisches Religionsamt: Augenbrauenzupfen ist Sünde

Türkisches Religionsamt: Augenbrauenzupfen ist Sünde

Natürlich kann man der Auffassung sein, das man sich um wesentlich bedeutendere Probleme kümmern und darüber berichten sollte, doch, so fragen wir uns, sind es nicht gerade die kleinen, scheinbar unbedeutenden Dinge des alltäglichen Lebens, die als Warnung vor einer politisch angestrebten Neuausrichtung stehen, die dann in Bevormundung und absolute Kontrolle endet?

 

Das Diyanet, die oberste türkische Religionsbehörde, hatte in ihrer letzten Veröffentlichung verkündet, dass das Entfernung von Haaren an Augen und Oberlippe bei Frauen unislamisch und damit eine Sünde sei. Nun könnte man über eine solche Publikation und Einflussnahme wirklich milde lächeln, würde sie nicht einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines jeden Einzelnen darstellt, was immer auch den Verlust von Freiheit mit sich bringt. Gerade in der Türkei nehmen Millionen Gläubige die Anordnungen der Religionsbehörde Diyanet, die für eine staatstreue Auslegung der Religion zuständig ist, wirklich ernst und merken dabei kaum, wie immens die Persönlichkeitsrechte bereits eingeschränkt sind.

Auf die Nachfrage eines Gläubigen, ob diese Anordnung auch bei Frauen gelte, die mit nicht normalem Haarwuchs zu kämpfen habe, schränkte das Diyanet ein: wenn eine psychologische Beeinträchtigung bedingt durch zu kräftigen Haarwuchs an Brauen oder Oberlippe zu befürchten ist, können Ausnahmen von der Regelung zugelassen werden.

In jüngster Zeit häufen sich diese "wertvollen" Ratschlägen für die Frauen durch türkische Politiker und Geistliche. Erst kürzlich hieß es vom Vize-Ministerpräsidenten Bülent Arınç: Frauen sollten gefälligst nicht so viel lachen, schon gar nicht laut und in der Öffentlichkeit. Unter dem Hashtag #direnkahkaha (übersetzt mit etwa: beharrlich hahahaha) lachten sich modern denkende Türkinnen über die Verkündung des Herrn Arınç schlapp, andere allerdings können sich gegen derartige Maßregelungen kaum zu Wehr setzen. "Wo sind unsere Mädchen, die leicht erröten, ihren Kopf senken und die Augen abwenden, wenn wir in ihre Gesichter schauen, und die somit zu einem Symbol der Keuschheit werden?", stammt ebenfalls vom Vizepräsidenten Arınç. Nicht jede Türkin kann über derartige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte humorvoll lächeln, manch eine leidet längst an einer Persönlichkeitsstörung, die nur aufgrund ihres über Jahrzehnte eingeübten Stoizismus zu ertragen ist.

Nun sind gerade türkische Frauen für ihren teilweise kräftigen Haarwuchs bekannt. Will "frau" also vermeiden, dass sich ihre beiden Augenbrauen zu einer verbinden, dann muss sie die Haare zwangsläufig zupfen oder mit der in der Türkei üblicheren Fadentechnik beseitigen. Wahrscheinlich nutzen auch Emine und Sümeyye Erdoğan, ihres Zeichens Frau und Tochter des frommen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine dieser Techniken. Von Bartflaum oder Haarwuchs zwischen den Augenbrauen ist auf den makellosen Gesichtern der beiden jedenfalls nichts zu sehen. "Schande" titelt deshalb scherzhaft der regierungskritische Fernsehsender oda TV. Sollten nicht gerade die Frau und die Tochter des Präsidenten mit gutem Beispiel vorangehen? Oder aber dafür sorgen, das derartige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte unterbleiben.

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